geheimwaffe hollergurkenessig

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das ist keine restaurantkritik. ich bin nämlich voreingenommen (siehe „grüner gaumen“). und ich bin froh, dass meinrad neunkirchner endlich wieder kocht. seit einigen wochen in einem gasthaus namens freyenstein (das so heisst, weil die chefin an dem ort in niederösterreich immer vorbeigefahren ist, wenn sie mit der tochter auf dem weg zu den grosseltern war, und sich schon damals, vor 20 jahren, dachte, dass irgendwann einmal ihr lokal so heissen würde) im 18. wiener gemeindebezirk nahe der s-bahn-station gersthof.

das lokal ist einfach, weder cool noch gestylt, der service freundlich, die weine gut und fair kalkuliert. nur die selbst gewählte bezeichnung „gourmet gasthaus“ klingt befremdlich – bis der erste teller kommt.

meinrad neunkirchner kann nämlich nicht nur auf eine sehr rühmliche vergangenheit (ein jahr bei witzigmann im tantris, bei troisgros in frankreich – beides dreisterner und weltberühmt – und z. b. auch bei eschlböck in plomberg/mondsee gekocht, drei hauben im vincent bekommen, ein enormes wissen über wildpflanzen, gewürze, einlegen, mazerisieren, die hohe schule des saucen machens,…) bauen, sondern vor allem auf seinen unerschütterlichen sinn für aromen, kräuter, gewürze und das feine spiel von säure und süsse. als „aromengott“ wurde er schon öfter bezeichnet. er selbst hört sowas nicht so gerne, er ist nämlich ausser ein meisterkoch auch ein meister des tiefstapelns.

doch bevor’s zu lange wird und am freitag im rondo (standard) und am samstag in der freizeit (kurier) die ersten kritiken über das freyenstein zu lesen sind, meine frischen eindrücke:

es gibt neben normalen gerichten der wiener küche ein menü in vier gängen für 28 euro, das ich für fast schon unverschämt günstig halte. das geht nämlich zum beispiel so:

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vorspeisen – auf einem teller serviert
saures rindfleisch (feinst geschnitten, so bigand – so betonen das die wiener… – abgeschmeckt, dass man nicht aufhören kann, bis das letzte resterl aufgetunkt ist – zum beispiel mit dem guten tomatenbrot von steiner aus tulln, das es neben ein paar anderen sorten hier gibt)
makrelenrillettes auf honigrettich (rillettes aus räuchermakrele, zu einem kugerl geformt und gebacken, auf süsssaurem rettich, super)
erdäpfellangos mit kaninchenrücken und steinpilzen (wenn’s sowas nur im prater geben würde, da könnte ich zu fuss hingehen… alleine für die langos gehört meinrad der grosse esskultur-orden verliehen)
pastinakensuppe mit estragongervaisnockerl (perfekt. wie sich das wurzelig-süss-erdige der von mir heiss geliebten pastinaken mit dem anis-artigen, intensiven duft des von mir ebenso heiss geliebten französischen estragons und der säuerlichen frische des gervais‘ verbinden, ein kleines wunder: deuxième service, s’il vous plaît!)

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fisch – auf einem teller serviert
gebackene, mit kürbis gefüllte sardellen auf rahmgurken (hm. wie rahmgurken im november so gut schmecken können, ist wohl ein geheimnis. ist es nicht: meinrad setzt seit vielen jahren selbst essige an. zum beispiel einen aus hollerblüten und frischen gurken. und der intensiviert die novembergurken so, dass man irritiert ist, wie die so gut schmecken können, ohne jemals draufzukommen, wie das geht.)
wolfsbarsch auf paradeiserkohlrabi mit currykraut (perfekt gegarter fisch, der kohlrabi so paradeiserfruchtig, dass schon wieder eine neunkirchnersche geheimwaffe im spiel gewesen sein muss. war sie auch: paradeiser, zu einer dicken paste einreduziert, in die die kohlrabiwürferl eingelegt und dann kurz darin erhitzt werden.)

ausserplanmässige (weil am nebentisch gesehene) milzschnittensuppe (siehe unten)

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fleisch – auf einem teller und in einem schüsserl serviert
schweinshaxerl mit parmesanbriochenockerl (ein heftiges ragout von harmonischer würze, vom milden parmesannockerl begleitet. gehört heiss gegessen)
kleines (eines der lieblingswörter von spitzenköchen, by the way) rinderfilet auf lorbeerpolenta mit eingelegten schwarzwurzeln und portwein (ja, so gut war es auch. und lorbeer mag ich normalerweise nicht, aber diese polenta hat so frisch und balsamisch geschmeckt, dass ich wieder nachfragen musste: natürlich frischer lorbeer, getrockneter wäre ja bloss für wildragouts zu gebrauchen…)
martinigansl mit rotkraut und kleinem erdäpfelknöderl (mir ein bisserl zu weihnachtswürzigsüsswienerisch, aber das ist geschmackssache)

nachspeisen – auf einem teller serviert
wiener walnusspudding mit vanille und quitte (typisch meinrad: vanille ist eine sauce und quitte natürlich perfekt gewürzt und gegart, den pudding hätte ich gerne auf vorrat im tiefkühler.)
nougatparfait mit orangenfilets und grenadineorangen (mir zu süss)
bitterschokoladenmousse (aber was für eines, bitte! leicht und cremig, nicht fett und eischneeschmierig. viel schlagobers mit halt und bitterschokoladengeschmack. haha! was für eine freude! schokomousse schmeckt mir sonst fast nie. das rezept habe ich ihm schon entlockt, aber ich muss ihn erst fragen, ob ich’s verraten darf)

fazit

meinrad neunkirchner ist einer jener köche, bei denen ich überhaupt nicht daran denke, in die speisekarte zu schauen. ich vergesse sogar, danach zu fragen.

meinrad neunkirchner ist auch einer jener köche, bei denen speisen bekannt und einfach klingen und auch ausschauen, aber immer besser schmecken. er versteht es, die gerichte auf den punkt zu bringen, zu reduzieren, aber gleichzeitig eine vielschichtigkeit in jedem gericht hinzukriegen, die von grosser erfahrung, grossem geschmacklichem vorstellungsvermögen, grosser kreativität und grosser sorgfalt zeugt.

meinrad neunkirchner untertreibt so, wenn er von seiner arbeit, seinen einfällen, seinen rezepten, seinen kombinationen spricht, dass man glauben könnte, das wäre wirklich alles so einfach. aber wenn man ihn dann fragt, warum die rindssuppe so gut schmeckt und er antwortet, er gibt ja nur tafelspitz und schulterscherzl rein, dann muss man nachfragen. da kommt bestimmt noch was. nämlich: er nimmt das fleisch raus, gibt dann erst wurzelwerk und zwiebel rein, lässt das ganze über nacht (!) ziehen und kocht es am nächsten tag einmal kurz auf. jaja, eine ganz normale rindssuppe halt. wer mir nicht glaubt, dass das besser schmeckt als die meisten in wien und sonstwo im lande servierten rindssuppen, runder, harmonischer, einfach idealtypisch, die und der möge es nachkosten. und alles andere auch. zum beispiel die rahmgurken. oder das schokomousse.

gourmet gasthaus freyenstein
thimiggasse 11, 1180 wien
di bis sa abends, so mittags
telefon 0699 19030602 – reservieren!

ps: der bröselknöderl-, schmarrn- und webmeister, eigentlich aber meistersänger meint gerade, das sei eine hymne. wie beethovens ode an die freude. so what?

13 Gedanken zu „geheimwaffe hollergurkenessig“

  1. Ich mache die Welle für diese Beschreibung!
    – Endlich wieder ein ordentliches Lokal im gastronomisch unterbesetzten Währing.
    – Endlich wieder ein Wirtshaus mit österr. Küche ohne Fusionsallüren.
    Ich verstehe nicht, warum sich kaum jemand in Währing hält, das Klientel wäre doch da, oder? Der Herkner ist damals gegangen, der Sailer hat gekracht, nur das Steirerstöckl hält sich wacker.
    Thimiggasse 11, das Lokal kenne ich, allerdings habe ich nicht mitbekommen, dass nach dessen Schließung sich dort bereits etwas Neues auftut.
    Ich muss übrigens zugeben, ich schau bei einer Speisekarte immer zuerst auf das Nachspeisenangebot, damit ich dann weiß, wie die restliche Bestellung aussieht. Schokoladenmousse muss ich nicht haben, obwohl so wie du es anpreist, muss man doch kosten.
    (Beim Rondo bin ich gerade bei Ludwig Hirsch angelangt und muss erst weiterlesen. Das artet fast in Arbeit aus.)

  2. danke, liebe ente, für die welle. ich brauch‘ eh energie für die arbeit, die mir heute und morgen und übermorgen noch bevorsteht. gegen das, was severin corti da so schreibt, ist meine hymne ja fast schon untertrieben, oder? ich zitiere: „einer der wenigen wirklich begnadeten köche des landes“ und „weltbester karpfen“

  3. der steht auch schon länger auf meiner langen lokalliste (lll). schade, dass der wein nicht so toll ist. im vergleich zu z. b. wieninger oder christ?

  4. Na die beiden sind schon besser ….
    Der grüne Veltliner ist nicht so berühmt, zu flach, reißt schnell ab. Den Lauser, so heißt sein Junger, habe ich nicht versucht, weil uns der Kellner zum gemischten Satz aus dem Vorjahr riet. Der war allerdings spritzig und gut.
    Leider keinen Staubigen bekommen, da wird alles zur Zeit zu Jungwein gemacht, weil gerade so modern.

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