das erste (und letzte) ma(h)l im palais coburg

gestern war ich also endlich im coburg essen. es kam alles anders als geplant, weil

1. hört küchenchef christian petz – der vor wenigen wochen erst die vierte haube (als eines von fünf restaurants in österreich) von gault millau bekam – mit jahresende auf.

2. ist das eines der ganz wenigen lokale des landes, in denen ich noch immer nicht war, obwohl ich das schon längst wollte und obwohl es das restaurant im palais coburg schon fünf jahre gibt – mir war die elitäre aura immer zuwider, aber die küche von petz, die ich ja vom meinl am graben kannte, hat mich immer gereizt.

3. der webmeister, der eben hauptberuflich meistersänger ist, gestern vormittag einen anruf aus berlin bekam und zweieinhalb stunden später im flieger dorthin sass. einspringen an der komischen oper.

als ich vor knapp drei wochen vom abgang petz‘ erfuhr, griff ich sofort zum telefon, um noch einen der letzten tische zu bekommen (es gibt ja nur vier mögliche abende pro woche).

ich war also zwar in vorfreude auf das abendessen, aber irgendwie frustriert, weil der lieblingsesspartner plötzlich nicht da war und es geht ja schliesslich um viel geld, das man dort lassen wird wollen und ein paar stunden vor dem reservierten tisch am dritten adventsamstag in wien jemanden zu finden, die/der so spontan ist und auch noch kein problem damit hat, für die spontanität 150 euro locker zu machen… es hätte in wien sicher dutzende gegeben, die mir geld bezahlt hätten, damit ich sie dorthin mitnehme, aber diese leute kenne ich nicht.

naja, jedenfalls war es dann gar nicht so schwierig, weil eine mir schon lange als sehr spontan bekannte freundin (gruss nach washington, falls dort jemand anderer meinung sein sollte) die gelegenheit beim schopf packte. da sie die letzten jahre mit argentinischen steaks, argentinischem rotwein und wenig argentinischem gemüse in argentinien verbracht hat, eine willkommene abwechslung.

als ich zuvor noch gestern mittag im coburg anrief, um mit winziger hoffnung den tisch eine woche zu verschieben (das restaurant hat nur von mittwoch bis samstag abends offen), erteilte man mir sofort eine absage (es fehlte nur, dass man mich fragte, ob ich denn hinter dem mond leben würde und nicht wüsste, welch ein run auf die wenigen tische herrsche, die noch bis zum ende der ära petz im coburg zu vergeben gewesen sind) und riet mir, tunlichst die chance heute zu nützen, weil es zum einen bis zum 31.12. so gut wie keinen freien sessel mehr gäbe und zum anderen das restaurant danach schliessen würde. ich dachte, ich hätte mich verhört, aber dieser nachricht in der presse zufolge scheint die dame die wahrheit gesprochen zu haben. nachdem man sich offenbar mit christian petz nicht einig werden konnte, hat man die flucht nach vorne angetreten und anstatt einen nachfolger für den meisterkoch zu suchen (was, zugegeben, schwierig gewesen wäre), sperrt man einfach zu. geld spielt ja keine rolle.

das wesentliche an dieser unerwarteten konstellation mit nahendem ende war aber trotzdem das essen. und ich war echt verblüfft, wie souverän und intensiv aromatisch (das hatte ich so nicht in erinnerung) petz kocht. da mutet es schon ganz eigenartig an, dass man diese küche in naher zukunft nicht mehr kosten kann.

mein überraschungsmenü in sechs gängen bestand aus auster mit kutteln und roten rüben, entengalantine und entenleber mit rotkraut und brioche, wolfsbarsch mit meerschnecken und judasohren, perlhuhnravioli mit rambutan und pak choi, limousinlamm mit den besten bohnen, die ich je gegessen habe und einer artischockentarte und einer birne helene, neu interpretiert, als dessert. ich hätte nicht in die dessertkarte schauen dürfen, weil mich die quittenbuchteln mit blauschimmelkäse weit mehr gereizt hätten, aber überraschung ist überraschung. davor gab’s saiblingstatar mit -kaviar, eissalat und karfiol und ein perfektes kalbsbeuscherl, gerade einmal ein heisser esslöffel voll, mit einer scheibe serviettenknödel, durchmesser geschätzte 1,5 zentimeter.

coburg_birne_helene.jpg

das ist ja das grosse problem, das ich immer wieder mit der spitzenküche habe (ausser bei den obauers): kaum schmeckt einem was, ist es auch schon aufgegessen. ich würde mir manchmal wünschen, ich könnte von allen gerichten des abends (das müssen ja nicht viele sein), jeweils ein mokkalöfferl probieren und mir dann mein menü zusammenstellen…

als pré dessert (scheint auch bei uns im kommen zu sein, ich mag ja freundliche menschen, aber diese ganze vor- und nachgrüsserei nimmt schon ein bisserl groteske ausmasse an) gab’s eine filigrane maroni-schokorolle mit einer besoffenen weichsel.

meine freundin hat das fünfgängige tagesmenü gegessen, derzeit noch hier als pdf nachzulesen – dürfte aber bald geschichte sein.

die weinbegleitung – ebenfalls überraschend – überliess ich dem herrlich unkomplizierten und lustigen sommelier, der eine diebische freude daran hatte, mich zu…überraschen. bis zu einem spanischen 94er ging das auch sehr gut (feiler-artinger ausbruch pinot noir, bründlmayer alte reben, grauburgunder sattlerhof zehn jahre alt, pinot noir vom schloss halbturn). als ich den grenacha mit „riecht für mich nach roten rüben und schmeckt mir überhaupt nicht“ quittierte, meinte er, das wäre schade, weil der wäre sehr teuer und eine rarität. danach ward er nicht mehr gesehen, der sommelier.

auch meine frage nach der zubereitungsart der bohnen verhallte in dem eleganten, aber unpersönlichen gewölbe, obwohl man mir wortreich versicherte, man werde sich darum kümmern.

wir sind trotzdem erst um kurz vor mitternacht aufgebrochen, weil es bis dahin nicht nur viel zu essen, sondern auch viel zu erzählen gab. wäre ich alleine gewesen, hätte mich der service vermutlich genervt. und weil ich für die 175 euro (die weinbegleitung wollte ich als halbes glas und das wurde fairerweise auch so verreichnet) nicht auch noch arbeiten wollte, gibt’s auch nur ein foto. atypisch vom dessert, aber davor hatte ich gar keine lust, da wollte ich geniessen.

christian petz war jedenfalls da (er hat am empfang kurz mit einem gast gesprochen) und mir gefällt, dass er gegen ende seines fünfjährigen engagements im palais coburg, das letztlich mit der vierten haube belohnt wurde, mit grosser lässigkeit das volle programm liefert, ohne sich auch nur irgendeine schwäche zu leisten oder blösse zu zeigen. das macht einen grossen koch aus, dass er am siebtletzten abend dieses lebensabschnitts so kocht, als gäbe es kein morgen. von meinem überraschungsmenü stand kein einziger gang auf der karte. aber jeder war perfekt. grossartig.

10 Gedanken zu „das erste (und letzte) ma(h)l im palais coburg“

  1. Da hatte ich Glück, Petz hatte damals zwar noch nicht vier Hauben, aber das Lokal war kaum gefüllt und ich habe selten einen so tollen Abend erlebt (ich vergleiche immer gerne mit dem legendären Gottfried). Essen und Service, da fühlte ich mich wie Gott in Frankreich!
    Wenn die Gäste künftighin ins Steirereck umgeleitet werden, dann ist das leider wie die Faust auf’s Auge. Im „neuen“ Steirereck war ich zwar noch nicht, aber habe leider schon einige Kommentare gehört, dass es manchmal gut und toll dort war und andererseits wieder gar nicht der Qualität des früheren Steirereck gerecht wird. Speziell beim Service hapert’s, wie auch bei meinem letzten Besuch in der Meierei. Da war ich derartig erbost, dass ich mir fast überlegte ein mail über meine Erlebnisse zu verfassen.

  2. „Kaum schmeckt einem was, ist es auch schon aufgegessen” – den hänge ich mir in die Küche. Und bedaure fast, dass ich nicht noch einen Tag länger da war.

  3. mach das mit dem mail, ente, oder ist’s schon so lange her? mit der meierei hatte ich ja im sommer auch so meine kleinen service-probleme… im steirereck selbst war ich kurz nach der eröffnung und seither auch noch nicht wieder, obwohl das auf meiner liste steht…

    das wäre lustig gewesen, sebastian! und wenn du den satz in die küche hängst, dann bitte in kleinschreibung – korrektes zitat ;-)

  4. Wow, das hört sich richtig, richtig lecker an, auch wenn es sicher von allem viel zu wenig gab. Aber schade dass man Herrn Petz´ Küche nun nicht mehr kosten kann, das wäre doch wirklich noch mal eine Reise wert gewesen, was ich hier so lese.

  5. da kann ich mir nur eine träne verkneifen, jetzt in berlin im internetcafe sitzend, wenn ich das hier lese. aber froh bin ich, dass du dort warst. und in bester begleitung, das freut mich auch.

    aber das andere auge lacht, wie heisst es so schön: ich war jung, ich brauchte das geld ;-)

    ja ente! schreiben ans steirereck, das gehört sich nicht. verstehe nicht, warum das dort so wappler sind. wirklich.

  6. was deine geheimnisvolle freundin angeht: bei aussicht auf petz ist leicht spontan sein! weniger bei beato und pasta allo quasi niente (für unkundige: nur spanisches olivenöl und meersalz), obwohl doch oft gilt: je einfacher, desto raffinierter – sofern die elementa stimmen, claro.

  7. aber immer einfach ist auch fad, pepatio. die stoische gelassenheit, die’s dafür bräuchte, brächte ich auch in 50 jahren noch nicht auf. würde ich auch nicht wollen.

    ja, tigerkater, ich hätte da noch ein paar andere auf der liste, zwar nicht unbedingt in wien, aber wenn du ja jung bist und das geld bekommen hast, könnten wir die schön langsam ab-essen…

    in summe war’s reichlich (vor allem zu viel schokolade zum schluss, aber ich bin keine süsse), christin – ich bin sicher, dass man bald wieder irgendwo bei petz essen kann. der kann nicht lange nicht kochen.

  8. In solche Palazzi hab ichs noch nie geschafft, obwohl ich nicht mehr jung bin und sogar etwas Geld dafür beiseite gelegt hätte. Wie fährt man da vor ? Vierspännig ? In einer gemieteten Mietlimousine mit Chauffeur ? Oder gehts auch mit der Trambahn und zu Fuss ?

  9. dank günstiger innenstadtlage geht’s zum glück auch per bim (=tram) und zu fuss. so haben wir’s auch gemacht. ansonsten wäre ein maybach angemessen. oder der vierspänner. im palais selbst habe ich auf einem plan sogar was von „wagenvorfahrt“ oder so irgendwas gelesen. da es sich aber um marmorböden handelt, war das wohl nur eine historische information…

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