noma, kopenhagen: die gänge 7-12/12

nein, wir sind nicht nach dem 6. gang aufgestanden und gegangen, sondern haben wie folgt weitergegessen:

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7. gang: norwegische königskrabbe, lauch in asche, muschelsauce, brotbrösel. die bezeichnung „ashes & leeks“ passt schon besser. zuerst wird der teller mit königskrabbenfleisch und schwarzen röllchen (lauch in asche) eingestellt. dann nappiert einer der köche diese zwei grundzutaten mit der muschelsauce, darüber kommen heftig gebutterte weissbrotbrösel. der lauch in asche kostet zuerst überwindung, schmeckt dann aber fein, leicht süß und gar nicht verbrannt. asche, so erfahren wir auf nachfrage vom chef, wurde schon früher in skandinavien als gewürz eingesetzt, in flüssigkeiten wie fischöl oder wasser aufgelöst. redzepi hat vor vier jahren in einem buch darüber gelesen und will diese tradition wiederbeleben.

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das ist er, mein lieblingsgang, serviert von emil:

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8. gang: eingelegtes gemüse mit knochenmark, kräutern und bouillon. das muss man nicht nur gesehen, sondern gekostet haben: kaltes, säuerlich eingelegtes gemüse wie knackiger rettich, rote rübe, gurke, karotte, dazu herb-bittere kräuter, darüber heisses knochenmark und heisse bouillon. klingt simpel, ist aber eine geschmackliche offenbarung. passt sensationell zusammen, weil das breite, fette knochenmark mit dem knackigen, frisch-säuerlichen gemüse und den bitteren kräutern sich so gut ergänzen und von der intensiven bouillon wie mit einem lasso elegant zusammengefangen werden. ein wahnsinnsgericht. für mich das beste des menüs, das interessanteste, obwohl oder gerade weil es so lässig und unaufgeregt daherkommt. als ich das dem kellner erzähle, sagt er mir, dass genau dieses gericht als „scandinavian dish of the year“ nominiert sei.

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wenn ein gericht halb aufgegessen noch appetitlich ausschaut, dann ist das für mich ein zeichen dafür, dass wirklich alles stimmt.

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massive eiche mit schaffell. understatement, das den rücken wärmt.

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9. gang: bio-entebrust mit zunge (auf der brust) und herz (ganz rechts), kapuzinerkresse, birne und lauch. saftiges, herzhaft-kerniges fleisch mit einem salzig-weichen entenzüngerl (der kellner fragt vorsorglich nach, wie es uns schmeckt, offenbar mag das nicht jede/r), zartem herz, einer birne, die mich mit ihrem absolut perfekten birnengeschmack bis ans lebensende daran erinnern wird, wie diese früchte im besten fall schmecken können und als kontrast zum fett und der innereien-schwere die leicht scharfe, erfrischende kapuzinerkresse (danke, johannes, natürlich ist das kapuzinerkresse und nicht brunnenkresse). rechts hinten versteckt sich ein angekokelter lauch, genannt „barbecued“, der gehört so, aber ich glaube, das muss ich nicht gar so oft haben. (habe ich eigentlich bei meiner mehrteiligen beschreibung des menüs bei tim raue erwähnt, dass er seine inspiration für das trüffel-aktivkohle-ragout zum teil von rené redzepi hatte, als er hier im noma essen war?) die birne sei eine augustbirne, weiss vielleicht jemand, ob’s diese sorte bei uns auch zu kaufen gibt? ich habe gefragt, was für zaubereien die küche mit ihr angestellt hätte, aber der kellner hat mich nur verständnislos angeschaut und gemeint: nichts. aufgeschnitten und gegrillt. fertig. ich war froh, dass es nur einen fleischgang gegeben hat. ehrlich gesagt: wäre die birne und die zunge nicht gewesen, hätte ich sogar darauf verzichten können. ich werde immer mehr zur vorspeisen- und zwischengang-esserin, weil mir die klassischen hauptgericht tendenziell zu viel, zu schwer, zu langweilig werden. das klingt jetzt hoffentlich nicht gar zu übersättigt, aber für mich muss fleisch einfach nicht (mehr) im mittelpunkt stehen. obwohl: auf dem teller war eh das richtige im mittelpunkt…

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ja, auch das läuft bei mir unter „halb aufgegessen und noch appetitlich“. die messer wurden in einem ledernen futteral zu tisch gebracht, sie werden in finnland fürs noma von hand gefertigt.

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ich kann mich nicht um alles kümmern, daher nur ein einziges bild von einem wein, aber was für einen! ein biodynamischer von der loire, und zwar 100 prozent sauvignon blanc, aber doppelt fermentiert. das ding hat blödeli und schmeckt furz(entschuldigung)trocken, erinnert extrem an sake und ist mit 14 prozent auch gar nicht fad. das winzerpaar hat sich mit dem namen „suavignon“ einen spass gemacht – wir hatten auch einen mit dem wein. irgendwie kam dann aus einem sprachlichen missverständnis das thema „dänischer wein“ auf den tisch. und sommelier ulf erklärt uns, dass das noma tatsächlich weingärten südlich von kopenhagen bewirtschaften lasse, von dort käme übrigens auch der eigene apfelsaft. bisher seien aber erst zwei jahrgänge (2007 und 2008) geerntet worden und der wein sei so rar, dass er ihn nicht mal herzeigen bzw. kosten lassen könne, weil er sonst für die paar veranstaltungen, für die er ihn brauche, zuwenig habe. die rebsorte ist „solaris“ und sie sei besonders gut für das kühle klima geeignet. den stöcken habe es nicht mal was ausgemacht, dass sie wegen überflutungen im ersten erntejahr unter wasser standen. den wein hätte ich gern probiert, aber die geschichte dazu war auch schon was. noch dazu hatte ich davon vorab kein sterbenswörtchen irgendwo gehört oder gelesen.

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10. gang: gurke, verbene, joghurt, meringue. und zwar so: die platten sind leicht süsse, intensiv nach zitronenverbene schmeckende meringue-stücke. die kugerln einfach nur ausgestochenes, kaltes gurkenfruchtfleisch. im hintergrund ein fanastisches gurkensorbet (habe ich am anfang erzählt, dass der web- und sängermeister vorab statt eines aperitifs einen saft wollte und der kellner versprach, uns etwas passendes zu bringen, ob wir uns überraschen lassen wollten? es war frisch gepresster gurkensaft, ohne alles.), im gurkenröllchen aus eingelegter gurke kaum gesüsstes ziegenmilchjoghurtmousse. das ganze sehr dezent, sehr wenig süss, sehr leicht, sehr erfrischend und eine art von „käse“gang, wie ich sie gerne viel öfter hätte. eine perfekte überleitung zu den desserts.

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11. gang: walnusspulver, walnusseis, getrocknetes obers & getrocknete beeren. ich finde ja desserts meistens langweilig. zu süss, zu breit, zu schwer, zu alles, zu wenig raffiniert, zu wenig interessant, zu wenig alles. aber hier, hier bin ich fast vom sessel gefallen! was ausschaut, als würde es gleich beim ersten bissen bei den ohren rausstauben, ist wunderbar cremig und so herrlich walnussig (ich bin bekennende walnusssüchtige), gerade nochmal mit der säure des beerenpulvers aufgefangen, bevor ich mich vor lauter glücksseligem stöhnen und ächzen überhaupt nicht mehr eingekriegt hätte. das rezept für das walnusseis, das hätte ich gerne. und wie ein dessert so was von unscheinbar bis abstossend aussehen und so was von gut schmecken kann, schmeisst alle meine prinzipien von wegen optik und geschmack müssen harmonieren über den haufen. form follows function? das mag für dänisches design gelten. in der dänischen küche, zumindest der vom noma, gelten andere regeln. das ist gut so. weil mein vorurteil, dass desserts eh nix können, endlich widerlegt wurde. danke. es kommt aber noch besser.

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12. gang: heidelbeeren, heidelbeereneis, kieferneis, kieferngranité, wilde thymianblüten, geröstetes brot und waldsauerklee. habe ich den preis für das beste gericht schon vergeben? hier ist noch ein zweites bestes gericht. ein sommerdessert, wie in stein(gut) gemeisselt für die ewigkeit. schaut euch das an, köche und köchinnen, und kupfert endlich mal was gescheites ab! wer will noch flüssigen schokoladenkuchen oder irgendwelche panna-cotta-spielarten? ein eiskalter teller. darauf winzige kugerln waldigen kiefern(nadel)- und heidelbeereises, eiskaltes, waldiges kiefern(nadel)granité, knusprige brotwürfel (redzepis humor mag ich, habe ich das schon mal gesagt?), herb und stark duftende thymianblüten, die’s locker mit der pinie aufnehmen und zum drüberstreuen nochmal waldsauerklee. inspiriert vom spätsommerlichen wald, sagt der kellner. was für ein abschluss!

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doch das ist noch nicht alles. nach dem 12. gang, wir sind die letzten gäste im noma, es ist knapp vor halb fünf, fragt unser kellner james, der wie der junge, schlanke bruder von robbie williams aussieht (obwohl australier), ob wir noch die küche sehen wollen würden. sous chef sam würde sie uns gerne zeigen. mehr davon im nächsten (und hoffentlich letzten) teil der noma-saga.

noch mehr noma:
teil 1: ankunft
teil 2: brot und gang 1/12
teil 3: die gänge 2-6/12
teil 5: blick in die küche, gespräch mit rené redzepi und abschied

8 Gedanken zu „noma, kopenhagen: die gänge 7-12/12“

  1. Unmöglich auf jedes Detail einzugehen, Katha. Ich kann nur sagen: Danke! Ich bin sehr beeindruckt. Du eröffnest Einblick in eine mir komplett unbekannte kulinarische Welt. In einer dir eigenen, versierten, dedizierten Art. Doch! Ein Detail: Das Messer! Was für eine kompromisslose Liebe zum Detail und Bekenntnis zur Eigenständigkeit. Da muss einfach alles überragend sein, was aus der Küche kommt.

  2. Toller Bericht! Das Noma steht jetzt dank dir auf meiner Wunschliste noch weiter oben. Ambiente, Küchenlinie – alles was für mich.
    Es gäbe viel zu kommentieren, aber in Kürze:
    – Fleisch-HAUPTgerichte sind in Menüs völlig überflüssig, da hast du recht. Ich streiche sie bei Bestellungen meist. Und in meinen eigenen Menüs darf kein Menügang eine Hauptrolle spielen.
    – Lauch und Jungzwiebel in Asche – das haben sich die katalanischen Avantgardisten von der Calçotada, dem grossen Zwiebelfest abgeschaut und so finden sich diese angekokelten Zwiebeln häufig in der Gastronomie. Mir ist das zu rustikal für ein Menü.
    – Augustbirne , eine deutsche, frühe Birnensorte (daher August)
    – auffällig der häufige Einsatz von Brot, Brotwürfeln, Brotbröseln – humorvoll?
    – Dessert – gefriergetrocknetes Beerenpulver: mir ist das immer zu intensiv. Die beabsichtigte Konzentration des Geschmacks wirkt für mich künstlich.
    – Das Gurkengericht ist ein Hammer. ich nehme an, die Meringe war nicht sehr süss?

  3. Ich schließe mich Claudio an, Katha, und sage Danke für den Einblick. Und danke auch für Deine Gedanken dazu.

    Ach ja, und auch ich habe noch etwas zum Messer zu sagn: Genau so ein Finndolch war’s, mit dem ich mich vor langen, langen Jahren zum ersten mal in meinem Leben ernsthaft geschnitten habe. Ich war noch ziemlich jung – so um die acht Jahre alt, wenn ich mich recht erinnere – und das Messer ein Mitbringsel von einer Dienstreise meines Vaters. Es war wirklich unglaublich scharf und es hat dementsprechend unglaublich geblutet. Um ein Haar wäre aus den Latschen gekippt. Diesem Schnitt sind im Laufe der Jahrzehnte noch viele gefolgt – und es würde mich wundern, sollten nicht noch weitere folgen.

  4. Der Eintrag ist jetzt schon ein bisschen älter, aber ich will trotzdem anmerken, dass „Pinieneis“ und „Piniengranité“ vermutlich eher von der Kiefer stammen. Pinie und Kiefer sind verwandt, allerdings wächst die Pinie eher am Mittelmeer, die Kiefer (oder Föhre) dafür schön regional in Dänemark! Das englische Wort „pine“ ist etwas verwirrend, denn es bezieht sich auf beide Bäume.

  5. danke, kaktusfink, das ist ganz bestimmt richtig und mein fehler, hab’s jetzt korrigiert. das aroma ist ähnlich, aber der baum ist in dänemark sicher die kiefer.

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