zu(r)tat* (1) holzhackergrieß

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holzhackergrieß, der

schmeckt nach kindheit. zwei meiner lieblingsgerichte seit mindestens 35 jahren sind ohne diesen grob vermahlenen weizenvollgrieß undenkbar: die traunviertler grießknödel (link zum rezept s.u.) zum geselchten mit sauerkraut und der grießschmarren meiner oma. dass ausgerechnet ich vollkornscheue auf einem vollkorngrieß bestehe, ist absurd, aber logisch. nur durch die grobe körnung (der auf dem bild könnte zu fein sein, das schwankt leider von charge zu charge und marke zu marke) bekommen die trockenen knödel den richtigen biss, die richtige konsistenz. mit feinerem grieß werden aus diesem sehr speziellen rezept (nur holzhackergrieß, in schweineschmalz geröstete semmelbrösel, salz und geselchte suppe) generationen überdauernde wurfgeschoße, die schon im moment des hineinbeißens bei den ohren herausstauben. mit dem holzhackergrieß lassen sie sich mürbe teilen, die bruchstelle erinnert dann ein bisschen an parmesan. der geschmack ist unvergleichlich nussig, rustikal, nach getreide und etwas geselcht duftend. leider gibt es unserem zwei-personen-haushalt einen tiefen grießknödelgraben. mein mann bevorzugt die vom meisterkoch meinrad neunkirchner, den ich bekanntlich sehr schätzte, aber diese flauschig-buttrigen aus feinem grieß passen einfach nicht zum geselchten mit dem sauren sauerkraut (absicht: süßes sauerkraut macht man in wien, saures in oberösterreich.). wahrscheinlich halten (hielten) die wiener einfach nur zueinander.

was den grießschmarren betrifft, war das immer eine fürchterliche warterei, aber oma aß die langen (nix gold-)braunen brantscherl genauso gern wie ich, daher konnte niemand vorzeitig das jenaer-glas-reindl aus dem ofen holen und gierig schmarren herausschöpfen, wenn noch nicht wirklich viele brantscherln gebildet waren. das problem mit hellem, feinem grieß ist hier das genaue gegenteil von den grießknödeln: der grießschmarren bekommt eine konsistenz wie für konfliktvermeidende duckmäuseriche. geht gar nicht. wahrscheinlich wird ein grießschmarren aus dem üblichen hellen grießkochgrieß vorher zu kohle, bevor anständig braune, herzhafte brantscherl entstehen. dass wir zu dem krachend knusprigen (und dazwischen saftig-weichen grießkochartigen nestern), buttrigen und mit knirschendem kristallzucker bestreuten grießschmarren häufig dosenkompott („fruchtcocktail“) aßen, sei hier nur der vollständigkeit halber erwähnt. wobei es da noch abstufungen gab: gemischtes dosenkompott frustrierte mich, weil das einzig brauchbare die pfirsichstückerln und die seltenen kirschen waren, ich den rest aber trotzdem essen musste. besser waren da schon die dosenpfirsiche allein. heute esse ich das apfelkompott nach „österreich vegetarisch“ (vom meisterkoch! das definitiv besser als das meiner oma ist) oder das pfirsichkompott meiner schwiegermama dazu.

das eigentliche problem ist aber, dass der holzhackergrieß immer seltener zu bekommen ist. vorige woche war ich in drei bioläden (basic, st. josef, denn’s) und zwei reformhäusern (prokopp, martin) in wien, keiner führte ihn. bei staudigl auf der wollzeile stand er (noch dazu als österreichische bio-ware, marke vollkraft – falls jemand das bild nicht angezeigt bekommt) im regal, als wäre das das selbstverständlichste auf der welt. wie gesagt: lieber wäre er mir etwas gröber, aber ich bin froh, ihn überhaupt bekommen zu haben. (aprops froh: leider stehen auch motten sehr auf holzhackergrieß, also am besten kaufen, in ein dichtes schraubglas umfüllen und das etikett außen drauf picken.)

holzhackergrieß-links
mein rezept für traunviertler grießknödel habe ich schon im dezember 2008 hier auf esskultur notiert: traunviertler esskulturerbe
meine allererste kochkolumne „gerichtsbericht“ in der wiener stadtzeitung falter 43/15 widmete sich demselben thema und nannte sich knödelkunde und kompromisskraut (archiv, artikel zahlungspflichtig)

* die idee von „zu(r)tat“: die zutaten meiner küche zwanglos im jahresverlauf festzuhalten und damit anzuregen, mit der einen oder anderen zutat selbst zur (koch)tat zu schreiten. länge und inhalt nach lust und laune und sicher nicht lexikalisch. bilder iphone & komplett unbearbeitet only. links stehen absichtlich unter dem (und nicht im) text, damit ich sie später ggf. ergänzen kann.

14 Gedanken zu „zu(r)tat* (1) holzhackergrieß“

  1. danke nina, doppelt! erstens für die freude damit (mehr davon ist meine absicht) und zweitens für deinen kommentar, denn er ist der beweis, dass esskultur-leserinnen und -leser nach wie vor hierher finden, auch wenn ich neue notizen nicht auf social media teile. dass du mir dieses wohlschmeckende futter für mein kleines experiment schon stunden nach der veröffentlichung dieser kulinarischen notiz, die ich erstmals und ganz bewusst nicht auf facebook und twitter geteilt habe, lieferst, freut mich ganz besonders.

  2. Hihi, was das Herfinden angeht, gibt es offenbar eine günstige Koinzidenz mit meinem Neujahrsvorsatz, wieder mehr Blogs über meinen Feedreader anzusteuern und nicht mehr ständig auf Facebook rumzuhängen. :-)
    Und der Holzhackergrieß hat mich gleich gepackt, denn davon hab ich noch nie gehört. Vermutlich gibt es den in Deutschland wieder nicht. Ob man ihn in einer Getreidemühle selbst hinkriegt?

  3. das freut mich aber, sabine. ich glaube, diesen grieß kennt man nicht einmal in ganz österreich, sondern denke, er ist eine ober- und niederösterreichische spezialität. was das selbst zu grieß „mahlen“ betrifft, bin ich leider mangels getreidemühle überfragt. denn die körnung sollte ja schon halbwegs gleichmäßig sein. ob das bei einer haushaltsmühle klappt, wenn randschichten und mehlkörper doch recht unterschiedlich hart sind? apropos: ich habe grade – seit jahren endlich wieder einmal – grießschmarren im ofen und er braucht schon wieder ewig, bis die brantscherln richtig sind ;-)

  4. Nun bin ich neugierig geworden, obwohl ich aus dem Südosten Österreichs komme und diese Art Grieß bisher nicht kannte. Aber die Knödel wollen ausprobiert werden, fühle ich..

    Danke für die Anregungen (wieder einmal..)

  5. ich bin mir sehr sicher, dass es das zeug von der hauseigenen biomarke in jedem spar gibt.
    immerhin ist solcher gries – weizen, vollkorngraupert, nicht sonderlich fein – in unserem haushalt eine der grundzutaten in der kinderbefrühstückung.

  6. toller Titel für eine Rezeptrubrik, ich hoffe – es kommt mehr davon.

    ich mag Vollkorn in vielen Dingen, aber nicht in allen. Z.b. bei Süßspeisen bin ich da sehr skeptisch.

    Vom Dosenkompott war mein Favorit immer das Ananaskompott. Dicht gefolgt von Pfirsich.

  7. ja eh, guido.

    ich mich auch (aufs schreiben und sammeln), danke, mädel vom land.

    echt jetzt, richard? das wäre ja super, danke für den hinweis!

    danke, weltbeobachterin, vor habe ich’s schon. ich mag vollkorn bekanntlich in keinen dingen, nur im holzhackergrieß ;-)

  8. Das sieht ja mal extra lecker aus! Leider muss ich auf Gluten verzichten, aber ich liebe Grieß in jeder Art und Weise, daher nehm‘ ich mittlerweile einfach immer Maisgrieß her, muss die Rezepte nur immer manchmal ein bisshchen abändern. Danke für den tollen Beitrag, für mich ist es genauso eine Kindheitserinnerung. Solltest du mal mehr Inspiration suchen, dann würd’s mich freuen wenn du auf eatwholegreens.com vorbeischaust! Bis dann :)
    Liebe Grüße, stäf | http://www.eatwholegreens.com

  9. Ganz ganz lieben Dank für die tolle Anregung. Jetzt bin ich komplett angefixt. Ein Rezept für den Grießschmarren oder die Grießknödel konnte ich irgendwie nicht finden. Ich weiß nicht ob es an mir liegt oder ob es doch ein technisches Problem ist und würde mich furchtbar freuen wenn man mir einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben könnte. Wünsche vorweihnachtliche Gelassenheit und eine gute Nacht!
    Herzliche Grüße aus Heidelberg,
    Silvia

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