schlaraffenland in 15 kapiteln

ich gestehe: die kurzgeschichte ist eine form, die mich selten befriedigt. da sind figuren und orte eingeführt und ein rhythmus beginnt sich passend zu den bildern im kopf zu entwickeln, und schon ist wieder alles vorbei.

trotzdem habe ich mich am montag, beim letzten reisechecklistenkontrollpunkt „postkastl“, wenige minuten vor der abfahrt in eine kurze spätsommerwoche, gefreut, dass genau in diesem moment stevan pauls (ja, der herr paulsen von nutriculinary) neuer band schlaraffenland schon in ebendiesem postkastl war und mit ins urlaubsgepäck wandern konnte. am mittwoch hatte ich’s im heißen burgenland in der wiese ausgelesen und selbst die paar iphone-fotos unten sind noch hier entstanden. kulinarische notiz mitten aus dem urlaub: take this, stevan!

schlaraffenland

was ich an schlaraffenland mag, obwohl es sich um kurzgeschichten handelt, sind drei dinge:

  1. die aufmachung: dass die kapitel mit dem resopalmuster von tischplatten in vergilbten wirtshäusern oder alten schneidbrettern, in denen sich die vielen schnitte vom jausenmesser im immer gleichen winkel eingekerbt haben, anfangen. das alleine macht schon wehmütig. mich zumindest. wo gibt’s noch resopaltischplatten? und wer kauft sich heute noch resopalschneidbretter? aber: dreht mal eines von diesen foto- oder sinnspruchgeschmückten frühstücksbrettchen um – oft schauen die hinten noch genauso aus wie früher auf beiden seiten. und das petrolblaue (ist das petrol?) lesebändchen, sehr schön. (den geruch des buches mag ich allerdings nicht, wie wandfarbe. aber ich bin bekanntlich ein nasentier und ziemlich heikel, vor allem bei kulinarischen büchern. ich zittere dem moment entgegen, in dem ich das erste exemplar von österreich vegetarisch aus der folie schäle und mit dem daumen wie ein daumenkino aufblätternd zur nase führe, in ziemlich genau zwei wochen…)

schlaraffenland kapitel

  1. den ton: stevans geschichten sind, wie schon beim vorgänger monsieur, der hummer und ich, immer achtsam. mir fällt kein weniger sperrig-spießig-altmodisches wort ein als: achtsam. liebevoll ist noch kitschiger, und das passt nicht so ganz, denn es geht in der einen küche oder auf der anderen reise in diesem buch schon auch mal hart her. da mag einer das essen, die menschen, ihre schrulligkeiten, wie sie miteinander umgehen, da mag einer beobachten und ein ganz klein wenig lustig drüber machen, aber die leute dürfen ihre würde behalten. da mag einer die richtig guten lebensmittel und da hat einer keine angst vor den manchmal üppigen wörtern, denen, die man in kochbüchern nie und in kulinarischer literatur selten liest. da kann einer rhythmus (aber zu kurz, s. o.) und bilder und auch erstaunlich viel melancholie, schwermut. im verfallenen grand hotel, in der großküche des ostberliner kaufhauses, über der aufgetauten erbsensuppe. ich finde außerdem, das buch hört mit der falschen geschichte auf. mit einer für meinen geschmack verstörend traurigen geschichte. da hilft auch der letzte satz im buch und der untertitel des buches nichts.

schlaraffenland rezept

  1. die rezepte: mit welcher treffsicherheit stevan das richtige rezept zur geschichte auswählt, weiß man erst nach dem grießbrei. dass ich einmal in erwägung ziehen würde, ein nudelsalatrezept (!) auszuprobieren, das gelingt nur dem herrn paulsen. und was ich mit dem päckchen alb-leisa anfange, das mir frau feinschmeckerle im kulinarischen twitter-austausch für rudimentäre angaben zum apfelschlangerl-rezept (das es nun bald auch für alle in österreich vegetarisch geben wird) geschickt hat, das weiß ich nach der lektüre auch. mit diesen linsen hat eine meiner beiden lieblingsgeschichten im buch zu tun. schön komponiert, wunderbares tempo, mit feiner sprachlicher klinge und ebensolcher botschaft – und warum, bitte, sehe ich da dauernd vincent klink vor mir? die zweite lieblingsgeschichte wiederum hat so eine überraschende wendung und ist nun wirklich liebevoll. sie handelt von köchen: mit herrn wilhelm durch die nacht. und ich empfehle euch, sie wie den besten bissen für ganz zum schluss aufzuheben, und bitte wirklich erst nach der offiziell letzten geschichte im buch zu lesen. ihr werdet dann wissen, warum.

stevan paul
schlaraffenland
ein buch über die tröstliche wirkung von warmem milchreis, die kunst, ein linsengericht zu kochen, und die unwägbarkeiten der liebe
mairisch 2012
192 seiten, € 18,90
schlaraffenland beim verlag
schlaraffenland bei amazonir?t=esskulturat 21&l=as2&o=3&a=3938539240

13 Gedanken zu „schlaraffenland in 15 kapiteln“

  1. klingt sympathisch – ein Buch mit Rezepten je nach geschichte. die Resopalaufmachung schaut aus wie der Umschlag des Kochbuchs von Mama.
    ad Buch/Zeitschriftengeruch da kann ich von Freud und Leid erzählen. Der Spiegel roch früher nach Quellekatalog und die alten Sachen riechen auch nicht immer gut. bzw. wenn ein Buch vom x.ten ausborgen zurückkommt. Ich bin mir sicher #öveg riecht gut, spätestens die Speisen, die man so kocht.
    Kurzgeschichten mag ich auch nicht so wirklich – alles zu schnell gar, mir behagt da ein Karl May mehr.

  2. Bei belletristischen Büchern mit Kochrezepten muss ich sofort an Johannes Mario Simmels „Es muß nicht immer Kaviar sein. Die tolldreisten Abenteuer und auserlesenen Kochrezepte des Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven“ denken.

  3. Danke, dass Du die schöne Gestaltung mit dem Resopal-Muster erwähnst, ebenso wie die Tugend eines Lesebändchens.

    Ich hatte mich darüber auch in sanfter Wehmut gefreut (und tue es immer wieder aufs Neue) – dann aber prompt vergessen, es in meiner Kritik unterzubringen.

  4. Eine wunderschöne Buchbesprechung so locker aus dem Handgelenk ist Dir da gelungen. Hoffentlich findet
    „Österreich vegetarisch“ ebenso kongeniale, liebevolle Interpreten.
    Habt Ihr an das Lesebändchen gedacht? Ist enorm wichtig.

  5. ich freu mich schon, wenn mich das buch zuhause erwartet!

    ein respopaltisch ist übrigens mittlerweile zu meinem schreibtisch geworden, nachdem er lange zeit mein singlehaushaltesstisch war. ich liebe ihn heiss und innig und wollte ihn nicht hergeben…

    bin schon sehr gespannt auf das linsengericht, habe ja auch noch ein päckle ableisa hier :-)

  6. das buch, das du deiner mama gemacht hast, weltbeobachterin? und danke für die wünsche! zur mozzarellaherstellung habe ich leider keine zweckdienlichen hinweise. ich würde mal in amerikanischen food blogs stöbern, die haben da einen oft recht ernst- und gewissenhaften zugang, was das von-grund-auf-machen betrifft.

    das habe ich ja schon ewig nimmer gelesen, christoph, muss gleich schauen, ob ich’s überhaupt (noch) habe.

    danke, buchfink! das ist ein schön formulierter wunsch. möge es so sein! und lesebändchen: wir haben nicht nur eines, lass dich überraschen…

    mit so einem messingfarbenen rand vielleicht, feinschmeckerle? oder schwarz eingefasst? du könntest ein foto twittern… ich glaub‘ dir übrigens nicht, dass du nur ein päckle albleisa zuhause hast ;-)

  7. die frage ist, ob es mehr kochbuch oder erzählung ist?
    man möge mir verzeihen, ich bin kritisch – ein rezept für linsen trägt zur stimmung bei, aber nicht zur erweiterung des kochrepertoires. so würde ich es als reinen lesestoff betrachten mit stimmungsmacher. das ist wieder sehr schön! es holt uns wohlig in die erinnerung zurück.
    in den ferien habe ich ein texanisches buch gelesen – recht simpel vom inhalt, aber nett geschrieben. die mutter der familie ware eine begnadete köchin. sie wusste genau, was zu welchem fest aufgetischt wurde. der texanische ort ist für pies bekannt. es duftete der cherrypie förmlich aus den seiten! geheimnisse der küche fand man auch darin nicht.
    der gute alte simmel, ich erinnere mich gut und gerne!
    oder die reihe vom verlag sansouci – ich habe toskana und shanghai – untertitel „oasen für die sinne“.
    so wie die resopalschneidbretteln unserer jugend beschreibst, wo das messer so so schirch aberutscht ist und ein komisches geräusch verursacht hat. (ich habe einen 3 haxenhocker mit reopalsitzfläche kürzlich gerettetw) jausenbretteln. wir haben sie zum heurigen mitgenommen, weil man damals noch sein essen – schnitzel, erdäpfelsalat, radi, etc. von z’haus mitgenommen hat.
    so sind orte, begebenheiten, gerüche und auch gerichte immer gut für ein schönes deja-vu und um ein buch darüber zu schreiben.

  8. ach, ente, das sehe ich diesmal nicht so streng: jedes gute rezept trägt zur erweiterung des kochhorizontes bei. und das ist ein sehr gutes linsenrezept, so viel ist gewiss! ich mag diese mischkulanzbücher eigentlich nicht so gerne. entweder ordentliches, praktisches kochbuch oder von mir aus kulinarik in jeder form, aber das aus jedem dorf ein hund, ich weiß nicht, für mich funktioniert es selten. hier ja.

    wenn du was findest, was du für brauchbar hältst, weltbeobachterin, freue ich mich über einen link hier – und vielleicht andere leser/innen auch.

Schreiben Sie einen Kommentar

Produkt zum Warenkorb hinzugefügt.
0 Artikel - 0,00