weisse kuh auf wanderschaft

ein 17-jähriger franzose, dessen eltern einen biobauernhof im westen frankreichs betreiben, geht ab freitag mit seiner lieblings-charolais-kuh camomille auf wanderschaft. die beiden wollen 1.200 kilometer zurücklegen und sich dabei von pflanzen am wegesrand ernähren (worin der junge mann eigenen angaben zufolge erfahren ist). er hat seit einem jahr mit camomille geübt, damit sie 20 kilometer am tag mit ihm wandern und etwas vom gepäck tragen kann.

die geschichte klingt ein bisschen nach don quixote, nach unglaublichem, unverbrauchtem idealismus und einem lächerlichen unterfangen, über das schon jetzt gespottet wird.

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als ich etwa neun jahre alt war, habe ich mich in bauxi verliebt. wegen ihr wollte ich tierärztin, zumindest bäuerin werden. bauxi war eine wunderschöne milchkuh auf einem niederösterreichischen bergbauernhof. ihre hörner wuchsen nicht nach oben, sondern nach unten gebogen, bis knapp vor ihre augen. sie liess mich auf ihrem knöchernen rücken, der erst weiter unten, wo ich gerade mit den fersen hinkam, in einen ausladenden bauch überging, sitzen – im stall und auf der weide. ich war bei der geburt ihrer tochter berni dabei (deren namen ich aussuchen durfte) und bei der geburt ihres sohnes benjamin (noch einmal von mir gewählt). als ich 12 oder 13 war, erzählte man mir, dass bauxi zu fette milch gegeben hätte und deshalb bei einem verwandten des bauern ihre pension verbringen würde. ich dachte, sie hätten sie zum schlachten gebracht und wollten mir die wahrheit nicht sagen. ein paar monate verweigerte ich rindfleisch, bis ich sicher war, dass es nun nicht mehr bauxi sein würde, die auf meinem teller lag. seither mag ich rindfleisch wieder genauso wie davor, aber bald darauf ist der kontakt zu meiner lieblings(nenn-)tante und meinem lieblings(nenn-)onkel auf dem niederösterreichischen bergbauernhof samt ihren sieben kindern abgerissen.

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vor zwei jahren fuhren wir auf mein drängen hin gemeinsam mit meiner grossmutter (durch die der ursprüngliche kontakt zustande kam) und meiner hündin (mit der ich damit zum ursprung meiner tierliebe zurückkehrte, obwohl sie erst viel später geboren wurde) zum ersten mal seit knapp 20 jahren wieder hin.

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mit dem hof verbinde ich erinnerungen an das beste brot aus dem holzofen, das beste beuschel (vom reh, das am vorabend geschossen, stolz und still in die wiese gelegt und dort im fackellicht bestaunt und bedankt wurde), die täglichen grillereien auf einem improvisierten grill aus grauen häuslbauerziegeln vor unseren ebenso improvisierten zelten aus schwarzer plane, in denen wir immer übernachten durften. die sommer waren die lustigste zeit meiner kindheit, ich habe den geruch der kühe und den nach heu, das barfuss gehen tag und nacht, die schaumrollen am kirtag, die frischen kriecherl vom baum und die ersten sauren klaräpfel geliebt. nie wieder hat milch so gut geschmeckt wie frisch aus dem tank, eiskalt. nie wieder habe ich die stom, jene saure rahmsuppe mit kümmel, eingebrocktem schwarzbrot und gekochten erdäpfeln, die in der früh um 5 vor dem stall gehen gegessen wurde, bekommen.

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mittlerweile sind meine grossmutter und meine hündin gestorben. die sieben kinder haben selbst kinder, aber sie sind fast alle zusammengekommen, um diesen auf den bildern im nachhinein kitschig schönen sommertag gemeinsam mit uns zu verbringen.

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heute ist der bergbauernhof ein biobergbauernhof – ohne mein zutun.

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und mein onkel erzählte mir, dass die geschichte mit bauxi, die bei seinem cousin das gnadenbrot bekommen hat, natürlich nicht erfunden, sondern die wahrheit war. was ich denn die 20 jahre lang geglaubt hätte?

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17 Gedanken zu „weisse kuh auf wanderschaft“

  1. „Kitschig schön“ im besten Sinne, eine wunderbare Kindheitserinnerung bzw. Wiederaufnahme. Mir kamen die Tränen . . .

  2. also, wenn´s sisko zugeben kann, dann auch ich: ich war im herzen gerührt !!

    auch das vorhaben von hadrien ist berührend.
    mögen er und camomille eine gute reise haben…

    und die bauxi-gschicht gehört „onkel“ und „tante“ unbedingt zu ohren und augen gebracht, vielleicht über eins der sieben kinder?

    bitte weiterhin solche schönen einblicke in kindheit und leben!

  3. ebenso, kann mich meinen vorschreibern und vorschreiberinnen nur anschliessen. weinen ist ausserdem gesund. also nichts wie diese geschichte lesen.

    und camomille schaut ja entzückend aus, so eine liebe kuh, mein gott ich liebe kühe…

  4. tolles geburtstagsgeschenk für onkel hans! (papa 1.8.46)

    deine seite wird schon seit ihren anfängen von uns genau verfolgt!! (eva&helmut)
    umso mehr freut es uns wenn wir sogar bei deinen geschichten vorkommen!
    genießen gerade ein gutes achterl wein und schwelgen in kindheitserinnerungen.
    danke für euren „k u h“ -artikel

    eva&helmut veronika&gerald

  5. danke an zweivonsieben für´s weiterleiten
    an „tante christl“ und „onkel hans“

    und ganz liebe grüsse an beide aus oberösterreich und bayern

    und „onkel hans“ alles gute zum geburtstag!

  6. danke für diese beiträge! schauen gelegentlich auf deiner seite vorbei finde solche geschichten sehr interesant, man versetzt sich automatisch in seine kindheit zurück und erinnert sich an so manche abenteuerlichen sachen, in den ferien war bei uns ja immer was los.

    übrigens das reh beuschl und die stom gibts immer noch.

    der mit der kuh wandert „bewundernswert“ wenn man weiß das eine kuh nicht immer das macht was man will sie haben doch auch ihren eigenen „schädel“.

    gerhard&heidi

  7. sind gestern von eva auf diese seite aufmerksam geworden. haben sie natürlich gleich heute mal durchgestöbert. dieser artikel ist super toll, vor allem wenn man all die personen und umstände kennt.
    an dem tag als ihr zu besuch gekommen seid konnten wir uns leider nicht kennenlernen, da unsere kleine tochter (Laura) zuvor zur welt kam. aber wir hoffen trotzdem euch mal (wieder) zu sehen.

    harald&nadja

  8. Liebe Katharina, ich wünsche dir bereits heute alle Liebe und Gute zu deinem morgigen Geburtstag. Schade dass wir diesen nicht in Ertl, so wie in meinen Kindheiterinnerungen, feiern können. Ich habe dieses Datum nicht vergessen. Die Urlaubstage in Sierning waren immer toll für mich. Das gute Frühstück deiner Oma werde ich nie vergessen. Am besten schmeckte mir immer der Früchtetopfen mit Haferfleks von Kölln (mmmmmm..). Ich würde mich über ein Wiedersehen mit euch sehr freuen. Tolle Artikel die du schreibst. Werde bestimmt öfter reinschauen.
    Liebe Grüße Christine samt Familie.

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