wie schmeckt vegan? tag 17

frühstück

nadas roggenbrot (noch immer so gut und frisch wie am montag) mit ihr wisst es ja eh und pomeranzenmarmelade, im stehen in der küche

irgendein schneller oolong

ankunftsespresso

vormittagsverkostung

getrocknete weißweintraubenkerne

traubenkernölpresskuchenpellets

traubenkernöl

verjus

mittagessen

zucchini, mariniert mit verjus, kräutern und traubenkernöl

selbst gebeizter lachs mit verjus und traubenkernöl

kirschparadeiser und mozzarella mit verjus und traubenkernöl

selbst gemachte rindfleischsulz mit verjus und traubenkernöl

gekochtes rindfleisch, dünn auf geschnitten, mariniert mit verjus und traubenkernöl

mischbrot mit traubenkernmehl

gespritzter verjus

nachmittagskaffee

bei „fett + zucker“ in wien ein veganer apfelstreuselkuchen, von der konsistenz und vom apfel, auch von der süße gut, aber ohne butter, sorry, schmeckt sowas für mich einfach „leer“, dazu ein ziemlich heftig bitterer espresso

abendessen

freundin l. hat mir im gegenzug zu einer wurzel(gemüse)lieferung (weil von mir ja derzeit eh ungeliebt) in einer nächtlichen twitterei pizza versprochen, vom stein. und sie war köstlich! der teig noch um halb zwei in der nacht (gleich nach der twitterei) angesetzt, mit frisch eingekochtem paradeissugo, roter zwiebel, kräuterseitling, gebratenen melanzaniwürferl und kapernbeeren, und nach dem backen im ofen auf anschlag eine ordentliche spur palästinensisches olivenöl drüber. ein glas rotwein dazu, alles ist gut. mir ist nicht einmal die bufala abgegangen, die auf l.s drittel der pizza schön cremig geschmolzen ist.

arriba-schokolierte kakaonibs von blyss, sehr, sehr fein, danke, liebe lyss, für diese überraschung!

vegane erkenntnisse

richtig gelesen. fisch und fleisch. aus heiterem himmel. ich habe meinen selbstversuch für die maxima mit einer reportage für die maxima gebrochen. und ich war sehr dankbar, in eine derart unverhoffte situation gestoßen zu werden, denn diesmal war es keine selbst gewählte essensentscheidung, sondern eine, in die ich geraten bin. und mit der ich spontan umgehen musste. ich war – unschwer zu erkennen – auf recherche bei einem verjus- und traubenkernölproduzenten, einem winzer-ehepaar  im weinviertel. als wir mit der arbeit (produktion, extra für mich und meinen fotografen wurde die schneckenpresse angeworfen) fertig waren, sagt die weinbäuerin: ich habe zum verkosten etwas vorbereitet. dann holte sie pro person einen wahnsinnig schön angerichteten teller mit den aufgezählten speisen.

meine optionen waren:

  1. nur die zucchini essen, rest mit begründung übrig lassen, aber dadurch eingeschränkt recherchieren
  2. von allem einen bissen essen, um zu wissen, wie sich die zwei produkte, um die es ging (verjus und traubenkernöl, genau) in ihrer jeweiligen kulinarischen umgebung verhalten, rest übrig lassen
  3. essen, als ob nichts wäre
  4. essen, aber zuerst erklären, dass und warum ich mich in einer zwickmühle befinde

ihr ahnt es, ich habe mich für variante 4. entschieden, und zwar in sekundenbruchteilen. 1. und 2. kamen nach einer kurzen überlegung nicht (mehr) in frage. ich finde es unhöflich, verschwenderisch und dumm, extra für mich derart aufwändig und liebevoll zubereitetes essen wegen einer versuchsanordnung wegzuschmeißen, wenn ich das, was auf dem teller war, ab nächstem mittwoch ohnehin wieder probiert hätte – ich bin ja weder allergisch noch esse ich aus religiösen gründen kein viech.

variante 3. wäre für mich in so einer situation indiskutabel, das bin ich mir und meinem ruf schuldig.

nachher fühlte ich mich ein bisserl komisch, bis ich draufgekommen bin, dass das schon vorher war und es sich um den kaffee handelte, weil ich vormittags nie kaffee trinke.

nein, es war weder komisch noch fremd noch schlechtes gewissen noch befreiend noch falsch, tier zu essen, es war in der situation für mich genau richtig.

die situation war sehr interessant. denn: ich habe bewusst entschieden, für mich ohne jeden zweifel richtig. aus veganer sicht evtl. nicht, aber genau das ist ein ganz zentraler punkt in allen ernährungslehren und -ideologien: wer einmal „fehlt“, hat gesündigt, darf aber bei ausgiebigem reueverhalten wieder in die mitte der gesellschaft zurückkehren, aus der sie/er sich durch fehlverhalten hinauskatapultiert hat. für mich ist soziale kontrolle beim essen grundfalsch. meine umgebung heute mittag, das winzerpaar und fotograf stefan knittel hätten jede entscheidung akzeptiert. ich stand nicht unter druck, sondern habe für mich und meinen beruf abgewogen. genau diese freiheit fehlt dem veganismus und genau die bräuchte er – aber ich muss mich jeden tag schwerstens zurückpfeifen, um all meine überlegungen und schlüsse noch für mich zu behalten, das ist nicht einfach.

falls jetzt irgendwer fragen sollte oder wollte, ob ich mir die frage gestellt habe, nach dem heutigen mittagessen überhaupt noch bis zum geplanten ende am dienstag vegan weiterzuessen, muss bitte zurück zum start.

mein seit über sieben jahren bruder (im geiste) claudio, seines zeichens anonymer schweizer koch, hat über den vegan superwednesday in wien geschrieben (und im übrigen die besseren fotos im freyenstein gemacht).

totally off-topic, aber sie spricht mir aus der seele: frau kaltmamsell über foodfotografie, immerhin anhand eines beispiels aus einem vegetarischen blog (von wegen topic).

10 Gedanken zu „wie schmeckt vegan? tag 17“

  1. nein, tina, gar nicht. diese erkenntnisse sind jene, die in meine geschichte gehören ;-) dafür war die verjus-traubenkernöl-kombi sehr überzeugend, vor allem beim rindfleisch und bei den zucchini.

  2. und weils so gut war, hab ich mir für morgen gleich noch so einen teig angesetzt. dass die kräuterseitlinge da so sensationell gut sind auf der pizza – für dieses heureka hab ich offenbar eine vegane mitesserin gebraucht.

  3. Ich empfinde es als sehr wohltuend, dass Du die Entscheidungen darüber triffst, was Du isst oder nicht und nicht irgendwelche moralisch überfrachtete Kategorien darüber entscheiden lässt. Essen ist keine „Sünde“( eben sowenig wie Sex), nur weil es aus dem „niedrigen “ Beweggrund Lust ausgeführt wird ( weil dies ja nicht automatisch bedeutet, dass das Hirn dabei ausgeschaltet bleibt) und nur dann akzeptabel, wenn es einen „höheren“ Mehrwert der Körperoptimierung oder Weltverbesserung nach sich zieht.

  4. „genau diese freiheit fehlt dem veganismus und genau die bräuchte er“ – finde ich interessant und entspricht auch meinem grundgefühl wieso ich schubladen grundsätzlich nicht mag und mich auch nicht als „vegan“ bezeichnen kann, auch wenn ich vermutlich zu 99,9% so esse (und das mit genuss, neugier, abenteuerlust und hier und da auch einem verpatzten experiment).
    wo beginnt die definition, wo hört sie auf, und – hallo?! – natürlich (!) mache ich wenn mir danach ist eine für mich in dem augenblick richtige „ausnahme“. wobei ich es schon idiotisch finde es so zu titulieren.
    und schon gar nicht habe ich bock darauf dafür dann von irgendjemandem „beurteilt“ zu werden. das steht gar niemandem zu.
    freiheit – das ist genau der punkt – und die nehme ich mir, die muss mir nicht jemand erst geben. einfach so! so :-)!
    finde es cool, dass du das einfach so gemacht hast und es auch genauso wie’s war und ist kommentierst, aber andererseits, nix anderes hätte ich erwartet

  5. “genau diese freiheit fehlt dem veganismus und genau die bräuchte er”

    WER ist denn „der Veganismus“?? Mir scheint, viele Menschen haben da eine Vorstellung, die bei weitem nicht mit der Realität überein stimmt. Es gibt nicht nur militante/radikale/quasireligiöse 150%ler, die allen anderen das Essen vermiesen – aber offenbar scheinen ein paar wenige auszureichen, das Bild vom „Veganismus“ zu prägen.

    Wenn man aus ethischen Gründen Tierprodukte meidet, dann gehört es nun mal zur Umsetzung, auf durchaus wohlschmeckende Gerichte mit solchen Produkten zu verzichten.

    Wieviel Ausnahmen jemand macht, ist individuell total verschieden – sei es, um mal wieder ein früher geliebtes Gericht zu probieren, sei es in einer sozialen Situation, die ein Beharren auf VEGAN blödsinnig oder gar schädlich erscheinen ließe, sei es unterwegs, wenn alles andere ziemliche Umstände machen würde – es gibt unzählige Gründe und ob jemand dabei ein „Sündenbewusstsein“ hat oder nicht, ist eine Frage des Selbtbilds und Selbstwerts (=kann ich ertragen, nicht IMMER bei den Guten zu sein?)

    Was übrigens bei einem solchen Kurzzeitversuch nicht bemerkt werden kann, sind Veränderungen des Appetits, die sich auf Dauer tatsächlich einstellen! Wer über ein paar Monate Milchprodukte meidet, wird merken, dass das Verlangen nach Käse verschwindet. Nicht, dass er nun gar nicht mehr schmeckt, wenn man doch mal probiert – aber dieses Gefühl „ich könnte nie ohne Käse“ hat keine Basis mehr. Das Verlangen ist definitiv weg.

    Ich hab mal gelesen, das läge an die Darmbakterien, die auf bestimmte Nahrungsmittel spezialisiert seien. Kommen keine Milchprodukte mehr, verschwinden die entsprechenden Bakterien und andere kommen hinzu. Quelle hab ich leider vergessen, doch entspricht es meinem Erleben voll und ganz.

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