kulinarisches abc: paradeiser

anbau
folientunnel, steinwolle, nährlösung, bewässerung, so schaut das heute bei den paradeisern aus, damit sie das ganze jahr über verfügbar, transportfähig und ewig haltbar sind – dass sie nicht schmecken, die hybridtomaten, ist ja nicht so wichtig. zynismus off: zumindest in der erde stehen sollten sie dürfen. und ruhig ein bisserl darben, denn das bringt aroma in die früchte. unter der sonne voll ausgereifte sind die erste wahl, aber wer weiß das schon, wenn sie nicht aus dem eigenen garten stammen?

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blattgrün
dieser duft! gehört mit ringelblumengrün zu meinen allerliebsten gründüften. hat übrigens nix mit dem reifegrad der paradeiser zu tun, leider. obwohl uns rispentomaten suggerieren, dass dem so wäre. was machen wir jetzt mit dem b wie basilikum? und mit dem b wie bulgarische fleischparadeiser?

caprese
jetzt sehr gerne. übers jahr nie. denn nur jetzt schmecken paradeiser richtig richtig. es braucht nix anderes als reife paradeiser, büffelmozzarella, basilikum vom fensterbankerl, garten oder markt, salz und vom allerbesten >olivenöl. und >weißbrot. zur c wie caponata geht’s hier, die hat jetzt übrigens auch hochsaison. oder c wie coulis, das nach „so schmecken wildpflanzen“:

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dessert
eh okay, geht vor allem bei süßen früchten ganz gut. mir sind sie aber lieber davor als danach. oder statt als dazu.

eingelegt
halbtrocken mit kapern zum beispiel, oder ganz trocken (aber nicht furztrocken). geschmacksverstärker der natürlichen sorte. e wie estragon würde auch hierher gehören.

farben
ich kann mich zur zeit nicht sattsehen an den rot- und orangetönen in allen größen und formen, dazwischen die eine oder andere grünliche (z. b. green zebra) oder dunkelgrünrote.

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german gold
eine meiner liebsten sorten. groß, wunderschön, fleischig, saftig, aromatisch. saucen daraus schauen nicht nur wunderschön (ja, ich wiederhole mich) aus, sondern schmecken auch so.

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hitze
tut paradeisern nicht nur an der staude, sondern auch danach noch gut. mir wäre kein fall bekannt, in dem ein gericht nix geworden wäre, weil die paradeiser zu lange gekocht hätten.

italien
das ist ein bisserl billig, ok, aber es muss sein. ich wollte ja übrigens einen paradeiserroten leinenrücken für italien vegetarisch. der sonnengelbe passt aber mindestens genauso gut, eigentlich sogar besser, weil siehe >german gold.

jederzeit
paradeiser sind ja ein sinnbild unserer pervertierten auffassung von luxus. siehe auch >anbau. wer bitte braucht das ganze jahr über frische paradeiser? wozu? sie schmecken nicht! sie schmecken nur dann, wenn >liebschaft, große bzw. >reife.

kirschtomaten
nur gut, wenn reif, süß und mit dünner (!) haut. diese solariumsgegerbten lederhautzwutschkerln kann ich nicht leiden. es sind aber die, die man übers jahr hinweg manchmal doch kauft, in dem irrglauben, es handle sich um ausgereifte kleine geschmackslieferanten. sind sie nicht. sie sind nur wasser und lederhautlieferanten. positiv besetzt wären unter k übrigens kapern. die sind mit paradeisern und sardellen gemeinsam ein unschlagbares team.

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(ich glaub‘, die war nach eric kayser, aber fix ist nix.)

liebschaft, große
ich kann problemlos 10 monate ohne frische paradeiser leben, von oktober bis juli. hauptsache, im august und september gibt’s reichlich davon, auch zu sugo oder coulis (s. o. unter c) für den winter eingekocht.

marinara, pizza
weil pizza schon bei p nicht mehr platz hatte, dann eben hier. langsam gegangener teig. behutsam geformt, mit gut abgetropften, passierten, nur zart mit oregano, salz und wenig knoblauch gewürzten superreifen paradeisern bestrichen, ohne rücksicht auf verluste bei größtmöglicher hitze am pizzastein gebacken. heiß gegessen. wie so oft kann gutes essen so einfach sein. einfach ist auch die pizza pugliese, aber die würde auch wieder nur unter p passen, ebenso wie der pizzastein, auf dem wir sie neuerdings backen.

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nudeln
p wie pasta war schon besetzt, entschuldigung. pasta ohne paradeiser ist natürlich undenkbar (aber durchaus essbar). simpel und immer gut mit >zwiebel, butter und salz. oder mit kräutern und >olivenöl, ein hauch knofel darf dann auch gerne sein. je >reifer die paradeiser und purer das sugo, desto (mir) lieber. sehr gerne mit gebratenen melanzani. ob alla n wie norma oder nicht.

olivenöl
logisch. vom besten. viel davon. >weißbrot dazu. alles wird gut. o wie ochsenherz hätte natürlich auch hierher gehört.

pfirsich-paradeiser-salat
für heuer quasi schon wieder vorbei, ansonsten bitte hier entlang. eigentlich würde hier auch p wie pasta hergehören, aber siehe >nudeln. und pizza natürlich (siehe >marinara). mit diesen paradeisern könnte man locker 2 oder 3 abcs füllen.

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quendel
meine oma hieß hildegard und verehrte hildegard von bingen. für mich war quendel daher als kind genauso normal wie galgant und bertram. quendel meint eigentlich wilden thymian. und der passt natürlich hervorragend zu paradeisern, wie alle mehr oder weniger mediterranen kräuter.

reife
das einzige, was bei paradeisern wirklich zählt. letztendlich sind sorte, form und farbe wurscht, denn wenn sie nicht reif genug sind, hilft das alles nix. nicht einmal rosmarin, der auch noch unter r stehen hätte können.

sonnenwarm
was für eine wonne! gerade vorgestern wieder im schwiegerelterlichen garten direkt ab staude genascht. muss man mindestens einmal im jahr gemacht haben, im idealfall barfuß – sonst gilt der sommer nicht. s wie sardellen hätten auch hier stehen können. oder salz. oder samengewinnung (geht ganz einfach, siehe hier). oder einfach nur sommer.

tomaten
seit 13 jahren lebe ich nun in wien. und bin paradeiseransprachetechnisch längst assimiliert. sorry, heimat!

uli westphal
so heißt der berliner fotograf, der mir zum glück heute dank facebook (nada, danke!) wieder eingefallen ist, und der wahnsinnig schöne paradeiser-bilder – lycopersicum – gemacht hat:

LYCOPERSICUM

(© uli westphal – mit freundlicher genehmigung, danke!)

vielfalt
wenn wir in österreich bei einer nutzpflanzenart – endlich wieder – aus einer riesigen vielfalt schöpfen können, dann sind das paradeiser. ob am bauernmarkt oder sogar im supermarkt: alte sorten, seltene sorten, neue, besonders aromatische sorten, alles da. einziger nachteil: die (echte) saison ist kurz, da gehört eingekocht.

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weißbrot
ob als bruschette oder crostini oder pan con tomate oder wie auch immer es regional genannt wird: geröstetes, ordentlich gemachtes weizenbrot, reichlich >olivenöl, ein hauch vom besten, frischesten knoblauch, >reife paradeiser (ganz wenig, nur übers brot gerieben, oder ganz viel) und knuspriges meersalz. so schmeckt sommer.

xylophon
spielen passt finde ich überhaupt nicht zu paradeisern. das beißt sich in meinen ohren sogar. zu paradeisern passt grillenzirpen. und dieses hitzeflirren, das eher visuell ist, aber ich bilde mir ein, man kann es auch hören.

yuzu
passt in schalenform (ähnlich wie orangenschalen) ganz gewiss zu paradeisern, hat allerdings meines wissens nach nirgendwo gemeinsam saison. schade eigentlich.

zwiebel
marcella hazan. und butter. nicht zu wenig salz. muss ich mehr sagen? z wie ziegen(frisch)käse würde auch hierher gehören. und zucker.

12 Gedanken zu „kulinarisches abc: paradeiser“

  1. Ein schöner Artikel, auch wenn wir hier im Westen natürlich immer noch Tomaten sagen ;-) Eine kleine Frage? Wo ist denn das Basilikum bei der Caprese, das vermiss ich, ist ja die dritte Farbe um die italienischen Nationalfarben darzustellen. Geschmeidige Grüße aus Salzburg, Claudia

  2. bitte ich hab da noch fragen.

    d wie dosentomaten – worauf schaun? weil erlaubt ist das ja (bzw vorzugsweise halt ausm glasl/aus der flasche, wenn keine saison).

    und e wie estragon – please e – elaborate!

    und wie kochst du denn die paradeiser ein? also blanchieren, häuten, mit hauch salz und nix sonst zerkochen, und in glasln und fertig, oder muss da noch was dazu? und wo kriegst du die paradeiser kiloweise her in wien, bezahlbar? fragen über fragen! (und warum hab ich nicht alle polpa-flaschen das jahr über aufgehoben? ahja, platzmangel, weiß schon wieder. meh)

  3. Ich bin ja an sich auch ein Verächter des T-Worts, aber eine gewisse Berechtigung läßt sich der Bezeichnung nicht absprechen – immerhin nennen sie die Früchte ja dort, wo sie ursprünglich herkommen, so. (Daß tomatl eigentlich das bezeichnet, was wir als Tomatillo kennen, sei dabei unbeachtet gelassen.)

  4. bitte gerne, mmiedl:

    d wie dosentomaten: ich kauf‘ meist polpa/passata von la selva, aber das mag auch einbildung sein, dass die viel besser schmecken. dosen kaufe ich nach möglichkeit nimmer, ich habe das gefühl, dass man das blech manchmal schmeckt.

    e wie estragon: vor allem bei rohen paradeisern, also salaten aller art, aber auch supperl (kalt wie warm), draufgekommen bin ich eigentlich wegen des pfirsich-paradeiser-salates, als ich einmal kein basilikum zuhause hatte. toll auch über ofengeschmorte/konfierte (mit orangenzesten …).

    e wie einkochen: eben das coulis aus sswp, NICHT häuten, never ever, geschmack, saft, aroma, höchstens nach dem kochen passieren (das machen wir mit dem coulis so). und claudio erklärt dann in iveg, wie man „eingemachte tomaten“ macht (geht sich noch aus für die herbsternte ;-))

    e wie einkaufen: klaus rapf am karmelitermarkt z. b., oder bei krautwerk oder adamah schauen und fragen. (wir haben sie im ernteanteil, aber gestern mussten ein paar von den wunderschönen german gold, die’s derzeit bei naturkost st. josef gibt, mit.)

    ich würde darüber sicher nicht krieg führen (wie über kein wort der welt), pepe, aber das weißt eh.

  5. mit der polpa di pomodoro von la selva bin ich auch sehr zufrieden! gedoste tomaten kommen mir schon deswegen nicht ins haus, weil ich mir an einem tomatenbüchsldeckel den rechten zeigefinger so tranchiert habe, dass er genäht werden musste! wär das mein kulinarisches alphabet, so stünde unter h :“ hassessen“- pasta alla checca: ein gemansche aus teigwaren und tomatensalat. nicht essbar, kulinarisch ähnlich absurd wie vielleicht risotto mit gurkensalat vermischt. gilt als “ altrömische spezialität“, vermutlich, weil es einen blöden, leicht diskriminierenden namen hat. und was ich gern diskutieren würd: brauchen gerichte mit tomaten säurezugaben? also muss essig in die caponata, den salat?

  6. Schön geschrieben. Obwohl alles sehr verheissungsvoll begann, macht der Sommer jetzt nicht mehr mit. Ich hoffe, doch dass die Tomaten noch grosszügig reifen. Die ersten selbstgeernteten waren jedenfalls geschmacklich top. Vielleicht auch, weil ich sie nicht giesse und sehr darben lasse.

    Die 25 kg Cherry-Tomaten, die ich vor 2 Wochen eingekocht habe, haben mich fast in den Wahnsinn getrieben, aber jetzt freue ich mich riesig über den Vorrat bis nächsten Sommer.

    Den Tipp mit dem Estragon muss ich jetzt endlich mal ausprobieren. Bin schon gespannt…

  7. bis zum schluss musste ich auf marcella hazan warten.
    nach 40 minuten ist bei konserven nicht einmal mehr zusätzliches salz nötig, kurz mit dem passierstab bearbeitet. mit pasta isst das der nachwuchs wie ein mähdrescher. wohl das rettende gericht vieler eltern.

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