toast hawaii – (m)ein rezept

ayce 02 2665

es gibt da draußen noch verrückte menschen, die auf print setzen. zum glück! tobias müller ist so einer, und deshalb hat er das all you can eat magazine gegründet. auf deutsch. in aller kürze: ausgabe #1 (fett) besorgen, bevor sie ausverkauft ist. ausgabe #2 (fremd) ist gerade erschienen, auch kaufen (alleine wegen des schönsten magazincovers des jahres, der dekade – ich bin ja immer noch für ein poster …), weil wie bei #1 der mix, die unterschiedlichen, sehr individuellen perspektiven in wort und bild auf alles, was essbar ist, den reiz dieses magazines ausmachen. und dann am besten abonnieren. damit #AYCE wirklich halbjährlich erscheinen und der herausgeber irgendwann einmal auch honorare zahlen kann ;-)

AllYouCanEat 02 FREMD Cover

ich durfte in der rubrik „was wurde eigentlich aus …?“ meine verteidigung (!) des toast hawaii (!!) besteuern. weil das rezept (!!!) nicht mehr platz hatte (deshalb auch die hier unübliche großschreibung …), steht es wie versprochen auf esskultur:

(die einleitung mit meiner beweisführung, warum toast hawaii das zeug zum superstar hat, gibt’s nur in print, ich setze hier ab etwa der mitte des textes ein bzw. fort, wo’s um die zutaten und die eigentliche zubereitung geht.)

ayce 02 2663

(mein) toast hawaii

zutaten

Es muss buttriger, bestmöglicher Toast sein, aber bitte keine Brioche, die Ananas bringt genügend Süße mit. In Wien und Oberösterreich würde ich ohne Umschweife bei Gragger anrufen und mir einen hellen Weizentoast reservieren lassen, für den es sich auch ohne Umweg über Hawaii durch die Stadt zu fahren lohnt. Dieser Toast stellt uns jedoch vor Herausforderungen: Wie dick schneiden? Mein Erfahrungswert: Keinesfalls viel dicker als die Ananasscheiben, sonst stimmt das Verhältnis nicht. Bei mir sind das etwa 11-12 mm. Toast-Hawaii-Profis schneiden den gesamten Kasten in dieser Stärke vor und frieren ihn ein, um innerhalb weniger Wochen ihr Suchtmittel erneut zubereiten zu können. Allerdings sollte man dem Toast Hawaii, wie allen Lieblingsgerichten, auch nicht inflationär huldigen, sonst droht die Gefahr, sich daran abzuessen. Dass gute, frische Butter zuhause ist, ebenso wie Estragon(!)senf ohne Aromen, davon gehen wir aus. Dijonsenf ist zu laut, das gibt Dissonanzen. Der Schinken ist eine zentrale Angelegenheit: Am besten schmeckt nicht zu dünn geschnittener Beinschinken vom Bio-Freilandschwein. Mild und saftig muss er sein, keinesfalls mit irgendwelchen gerade angesagten Gewürzen oder Kräutern verhunzt. Die Ananas, und das meine ich ernst, muss zwingend aus der Dose oder dem Glas kommen. Frische Ananas bringt – weil so gut wie nie ausgereift und saftig – ein anderes Aromenprofil und eine andere, trockenere Konsistenz mit. Wichtig ist außerdem, Ringe zu kaufen und keine Stückchen, die ebenfalls nicht für das richtige Mundgefühl sorgen, weil sie zu weich zerfransen. Fairtrade und möglichst Bio versteht sich von selbst. Der Käse: Nach Versuchen mit Bergkäse, Emmentaler und Gouda setzt sich der echte Rohmilch-Emmentaler ganz klar durch. Auch beim Erhitzen behält er sein Aroma, typisch, aber nicht penetrant. Dass er sich mit Beinschinken bestens versteht, ist ja nichts Neues. Nicht zu reifer Comté oder milder Gruyère könnte auch passen. Aber: Wer keine Aufschnittmaschine hat, muss hier wirklich zu vorgeschnittenen Scheiben greifen, denn geraspelter Käse haut ebenso wenig hin wie selbst in Stifteln geschnitzter. Alles ausprobiert, glauben Sie mir.

zubereitung

Butter temperieren, sonst droht später ein Nervenzusammenbruch. Grill auf 250 Grad vorheizen. Ananasringe abtropfen lassen (Profis hängen sie auf einem Kochlöffelstiel über eine Schüssel). Toast wie oben beschrieben schneiden (pro Person rechne ich als Abendessen mit 3-4 Scheiben), im Toaster (!) hell toasten. Darauf darf keinesfalls verzichtet werden, Maillard-Reaktion, Sie wissen schon, sonst ist er später letschert und langweilig. Getoastete Toastscheiben nebeneinander (!) aufbreiten, angemessen (also nicht hauchdünn, aber auch nicht übertrieben dick) mit der nun etwas weicheren Butter bestreichen. Ist sie kalt, zerstört man Toast und Laune. Dünn mit Estragonsenf bestreichen, und zwar beides gleichmäßig bis zum Rand, nicht nur lässig in der Mitte. Schinken so schnitzen, dass so gut wie nichts über den Toast hängt, weil all das später faserig-ausgetrocknete Flunsen werden. Unter Ananas und Käse kann man Stückwerk gut verstecken, keine Sorge. Fettranderl natürlich dranlassen. Je nach Schinkenscheibenstärke braucht es 1-2 Lagen oder Faltungen. Nicht übertreiben! Darauf die abgetropften Ananasringe verteilen. Käse ggf. entrinden und mit einem Überhang von max. wenigen mm darauflegen. Die Käsescheibenanzahl hängt von der Schnittstärke ab. Bei rustikalen Scheiben reicht eine, bei Sparefroh-Scheiben zwei übereinander. Bitte nicht diagonal versetzt, denn die hinunterhängenden Spitzerln rinnen sowieso davon, dafür fehlt der Käse dann an den traditionell trockeneren Ecken. Toasts auf dem Rost (oder Blech) auf Alufolie platzieren. Auf mittlerer (!) Schiene mind. 5 Minuten bei Oberhitze grillen, bis der Käse zu schmelzen beginnt. Die Einschubhöhe bedingt langsameres Durcherhitzen des gesamten Toasts, nicht nur ein Turbo-Solarium für den Käse. Dann den Rost auf die oberste Schiene schieben und unter Beobachtung eine bis zwei weitere Minute/n grillen, bis der Käse Farbe bekommt. Sofort und ohne geschmacklose Cocktailkirsche servieren. Nach Geschmack mit grobem schwarzem Tellicherry- oder Kampot-Pfeffer bestreuen, die frische Schärfe steht dem zeitlosen Crowdpleaser gut. Unbedingt mit Messer und Gabel am Sofa essen. Toast Hawaii bei Tisch ist trostlos, darin sind wir uns einig.

ps: als ich im jänner extra für den ayce-beitrag toast hawaii, den ich seit jahrzehnten im schlaf beherrsche, mit maßband und küchenwecker zubereitet hatte, zweifelte meine social-media-gemeinde an meiner kulinarischen kompetenz. denn jemand mit geschmack könne doch nicht im ernst … doch, im ernst! ich liebe toast hawaii, immer schon. jetzt ist es ding-, hieb- und stichfest argumentiert und bereit zur nachahmung. und ja, ich stehe dazu.

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16 Gedanken zu „toast hawaii – (m)ein rezept“

  1. Also, das Poster sollte wirklich in Serie gehen. Wunderschön das Cover.
    Demnächst werde ich – da nun endlich zu lesen -, einen KTH fabrizieren; der Estragonsenf klingt doch sehr verlockend. Klar, Ananasscheiben aus dem Glas. Bei uns zu Hause gab es den Toast auch immer ohne diese blöde Cocktailkirsche, weshalb ich mich nie an sie gewöhnt habe, sie also auch nicht vermisse.
    Danke für das Rezept.

  2. toll und überaus kurzweilig geschriebenes rezept!
    werde das mit dem estragonsenf mal testen! hatte neulich einen milden heumilchkäse- der ging auch! und das toastbrot von stevan aus dem „auf die hand“…
    wenn man aus versehen ananasstücke gekauft hat, kann kann man minihawaitöstchen machen…retro finger-food, sozusagen! ;)
    herzlichen gruß aus berlin! nicole

  3. Pizza Hawaii fand ich nie so prickelnd. aber der Toast ist ein Versuch wert.

    All you can eat finde ich auch eine sehr schöne Zeitschrift. Ich schließe mich auch der Posterfangemeinde an.

    Die erste Ausgabe gibt es leider im Handel nicht mehr, so zum kaufen. Bevor die neuen Hefte kommen, werden die alten meistens retourniert. Ev. kann man es nachbestellen.

  4. Liebe Katha,
    schööön!

    Und eines leichten Schmunzeln konnte ich mich nicht erwehren, als ich den kleinen Freud’schen Verschreiber
    „meine verteidigung (!) des toast hawaii (!!) besteuern“ las, nachdem du elegant vermerkt hast, dass das ganz ohne Honorar geblieben war …
    Herzliche Grüße,
    Lisa

  5. Ich mag Toast Hawaii auch und werde dafür ebenfalls bisweilen belächelt bzw. zerstöre ich durch mein Outing als TH-Fan anscheinend das Bild der ambitionierten Hobbyköchin, das andere von mir haben.
    Meine Mutter stäubt immer etwas mildes Currypulver auf den Käse, diese Variante habe ich beibehalten, weil sie noch etwas mehr Spannung in das schlichte Gericht bringt. Die Toasts waren zusammen mit Endivien- oder Feldsalat in Senf-Vinaigrette früher auch mehrfach ein sehr beliebtes Essen an Heiligabend.

  6. Hallo Frau Seiser, du bist so genial! Ich wusste nicht, dass man die Trendspeise meiner Kindheit so zelebrieren kann. Schade, dass das leider nimma auf meinem Sopeiseplan steht, ich hätt grad einen Gusto drauf. Liebe Grüße aus Salzburg, Claudia

  7. Nicht nur der TH ist ein Genuss, auch obiger Text hat meine Mundwinkel nach oben gezogen. Nur eins geht für mich gar nicht mehr: Alufolie hat in meiner Küche Hausverbot. Als Single- oder Paar-Mahlzeit gibt es feuerfeste Teller, für größere Gelage das Backblech, und dann halt Einweichwasser …

  8. Eigentlich würde ich ja gern begeistert sein – ein einfaches, geniales Gericht, mit Begeisterung und Kurzweil präsentiert, mundwässernd.
    Aber, aber.
    Wer eine gute Mission hat, kann nicht nur den schon Bekehrten predigen, er_sie muss doch eigentlich gerade die noch Ungläubigen erreichen wollen. Doch wer den Estragonsenf noch nicht im Schrank stehen hat und nicht bereit oder in der Lage ist, für ein Toastbrot quer durch die Stadt zu reisen, wer keinen Schimmer hat, was für einen alltäglichen Vorgang der Begriff „Maillard-Reaktion“ bezeichnet, für den ist das halt nichts, so klingt es.
    Ich finde das schade, denn das Anliegen ist so gut! Es sei denn, die Eingeweihten wollten unter sich bleiben, in dem Fall ist der Text gelungen, aber der großen Sache, mehr Leute zu einer qualitativ hochwertigen, genussvollen (Bio-)Ernährung zu ermuntern, nicht gedient. Nochmal: schade.

  9. Sehr geehrte Frau Seiser,
    verwenden Sie in Zukunft Groß- und Kleinschreibung in ihren Artikeln. Die Lesbarkeit erhöht sich dadurch exponentiell.

    Auch sollten Sie ihre alten Artikel dementsprechend bearbeiten. Ansonsten sehe ich mich gezwungen Ihnen ihre Schreiblizenz zu entziehen.

  10. Ahhh da kommen Kindheitserinnerungen hoch, damals in den 80ern gab es bei uns sogar am Weihnachtsfest Toast Hawaii – ich muss es unbedingt nochmal ausprobieren da ich mich schon gar nicht mehr an den Geschmack erinnern kann.

    Gruß Markus

  11. Sehr inspirierend! Habe mir gleich beide Magazine als Print (!)-Ausgaben bestellt. Toast Hawaii – tatsächlich lang nicht mehr zubereitet. Wird jetzt wieder mal gemacht. Danke!

  12. Ach Leute, es muss ja gar nicht die klassische Variante sein….
    Ich in bekennender „Hawaii-“ oder, nennen wir’s mal „überbackener Toast-“ Liebhaber.
    Eine Scheibe Ananas/Toast…mahr als 3 wären mir da zu viel….
    Abär… probiert das mal (statt Ananas) mit guten Tomaten (so verfügbar…), Champignons geschnitten, Pfirsich (sehr lecker)…..
    Mit Käse gratiniert + Schinken geht echt viel…..
    ja guuut, dann ist es eben kein klassisches Toast Hawaii mehr,
    mir aber egal ;-)
    Grüsse
    Stef

  13. Auch wenn vier Jahre nach diesem Eintrag niemand mehr hier liest, möchte ich doch der Geschmackshistorie Genüge tun.
    Gestern wollte ich endlich wieder einmal Toast Hawaii fabrizieren. Schon der Bio-Buttertoast hat mich in seiner Form geärgert, weil nur wenige Scheiben ohne „Schaden“ herauszufischen waren. Warum der Produzent – womit auch immer – Kerben in die Laib-Scheiben haut, ist mir ein Rätsel. Auch war mir das Brot in der Krume zu kompakt. Nebbich. Ich fange an. Zuerst öffne ich die beiden Ananasdosen – bio! – aus dem Supermarkt. Oh Schreck: Ananaswürfel waren drin. Ich hatte keinen Nerv, im Pyjama loszurennen und Ersatz zu suchen. Die Dosen standen im Regal an dem Platz, wo ich immer die Ringe greife…
    Würfel abtropfen lassen und mit Fummelei und gelegentlichen Schnitten auf einem Teller Scheiben simuliert.
    Ich bin dem Rezept – wie immer – genauestens gefolgt. Erster Toast aus dem Ofen.

    Nein, auch wenn die Würfel tetrisartig zu einem Ring gelegt worden sind: Der Genuss wird durch das Gewürfele grandios geschmälert. In der Textur für mich etwas völlig anderes, als wenn ich mit dem Messer auch durch den kompletten Ananasring schneide.
    Also, Augen auf beim Ananasringe-/-scheibenkauf.
    Nächstes Wochenende mache ich mir dann das Ganz in einer Deluxe-Version.

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