sexismus am amuse-gueule-teller

mitte mai, restaurant obauer, werfen. wir sind zu sechst, drei paare, bestehend aus je einer frau und einem mann. wir machen den abschluss unseres speisekarten-studiums mit der bestellung von lauter wohlklingenden gerichten. wir freuen uns auf das, was kommt, wir sind schliesslich nicht zum ersten mal hier. das brot wird serviert. das berühmte kernöl-schmalz, die hausgemachte lammwurst, ein paar kleine happen auf noch kleineren löffelchen.

dann kommen zwei herren mit je drei tellern. wir sind hungrig. der geübte blick sagt mir: dreimal das eine weiss-grüne im glas, dreimal das andere dreieckige fleischige im tiefen teller, also genug für alle. wir haben weder das eine noch das andere bestellt – zumindest erinnern wir uns nicht daran. es wäre aber laut regie zeit für einen gruss aus der obauerschen küche. die kellner stellen wie nach einem geheimen plan ihre sechs teller ein. da wird mir schlagartig klar, was hier abläuft: beim amuse gueule wird nach männlein und weiblein unterschieden! ungläubig muss ich die jungen männer aus dem service anstarren, denn sie wiederholen mit nachdruck, als ob wir (ich, nur ich habe ja nachgefragt) gurkerl in den ohren hätten: für die damen karfiolcreme mit venusmuscheln, rucolasafterl und brotchip, für die herren lammsülzchen mit roquefortcreme und balsamico-wachtelei. mir wird heiss. ich will das für die herren! ich will nicht das damenhaft-vegetarisch-zarte. ich will das, wofür die obauers berühmt sind, will ordentliche geschmäcker aus ordentlichen zutaten und kein zartes karfiolröschen oder rucolapflänzchen! ich will zumindest ein balsamico-wachtelei!

hatte ich am beginn des auftrittes der beiden kellner noch vorsichtig gehofft, dass alle anwesenden – welch grosszügige innovation! – zweimal aus der küche gegrüsst würden, ist diese hoffnung spätestens mit einem bittenden blick an die drei „herren“ am tisch zerstört. alle drei sitzen sie leicht vornübergebeugt über ihren entgegenkommenderweise tiefen tellern und üben sich in meditativer abwesenheit, während sie artig, aber sehr schnell ihren männergang aufessen. das ist gelebte solidarität. aber vor lauter sorge, dass wir frauen unseren männeren das fleisch vom teller stehlen, können sie es nicht so richtig geniessen. ein pyrrhussieg.

danach durften endlich alle essen, was sie bestellt hatten. als unausgleichende gerechtigkeit sei noch folgendes detail des wunderbaren abends erwähnt: meine portionen von hummersuppe mit kohlrabi und ingwer und paprikakutteln mit venusmuscheln und bergkäse waren so extrem gross, dass ich die herren um tätliche hilfe bitten musste. das ist mir auch noch nie passiert – beim essen.

ps: wie der damengang geschmeckt hat? eh ok. die karfiolcreme mild-gehaltvoll, die muscheln darin interessant, das rucolasafterl unspannend und der brotchip eine willkommene knusperei.

3 Gedanken zu „sexismus am amuse-gueule-teller“

  1. ein koch (großmeister rudi) dachte sich einmal er macht 2 verschiedene amuse um noch mehr zu punkten weils halt so gut passt und am tisch eh drei pärchen sitzen. in normalen beziehungen lässt halt der mann die frau kosten oder umgekehrt. (das darf man bei den obauers da schaut keiner schief) und bei jedem anderen gast kann man sich hohen zuspruch erwarten. aber man kann es ja nicht jeden recht machen und die …

  2. Das mit zwei verschiedenen A-Gs ist ja ok, aber nur wenn für alle … die Geschlechtertrennung scheint doch allzu offensichtlich.

    Dennoch: das nächste Mal andere , teilfähige Herren mitnehmen ;-)

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