eine frage der herkunft (1)

man möchte meinen, dass in der spitzengastronomie 1. die begriffe bio, konventionell, freiland, zucht etc. bekannt sind und 2. die gäste nicht für blöd verkauft werden.

ich habe mir vorgenommen, in der gastronomie verstärkt nach der herkunft der tierischen produkte (vor allem fleisch) zu fragen. letzte woche im eisvogel wurde mir sogar eine rutsche gelegt: auf der ersten seite der speisekarte (in der online-version leider nur das siegel rechts oben auf der zweiten seite, pdf) stehen die lebensmittellieferanten aufgelistet. darüber prangt ein – gekonnt auf traditionell und „wertig“ getrimmtes – siegel der ama (agrarmarkt austria, staatlich), an dessen beschriftung ich mich nicht erinnere. auf der website der ama ist das ama-gastrosystem immerhin auf einen blick zu finden. genau dieses siegel war in der speisekarte abgebildet:

link zum ama gastronomie-siegel

der eisvogel bezieht laut seiner speisekarte das fleisch von hürner in amstetten. ich habe den kellner, der für unseren tisch zuständig war, nach genaueren informationen zum fleisch gefragt. er antwortete: „das ist alles bio.“ ich sah offenbar recht verblüfft drein, sagte aber nichts, worauf er nachsetzte: „nein, also das ist nicht aus zucht, kein fleisch aus zucht.“ ich fragte ihn, ob er das ernst meine. es ging konkret um schweinefleisch. dabei musste ich mir fette rosa zuchtschweine im wald vorstellen, die vom jäger zur strecke gebracht werden. leider habe ich ihm dann mit den worten „meinen sie freilandhaltung?“ aus der sackgasse geholfen, worauf er sich dankbar mit „jaja“ bezog und dann schnell etwas anderes weit weg von unserem tisch zu tun hatte. der junge mann stellte sich als sommelier mit ausgeprägtem selbstbewusstsein heraus und riet uns auf nachfrage vom chardonnay (der ohnehin gerade nicht offen im angebot sei) ab, weil man den in österreich sowieso nicht trinken könne. an so einem punkt suche ich das gespräch üblicherweise nicht mehr, weil ich kein interesse daran habe, den herrn vorzuführen, mir aber gleichzeitig klar ist, dass wir zwar dieselbe sprache sprechen, uns aber trotzdem nicht verstehen.

zuhause habe ich, nachdem wir uns alle vier vorgenommen hatten, uns den namen hürner zu merken, gegoogelt und bin auf die fleischerei hürner in amstetten gestossen, die die spitzengastronomie beliefert. über herkunft und haltung der tiere ist auf der website nichts zu finden. geschlachtet wird dort offenbar nicht selbst, man hat sich auf die zerlegung spezialisiert. das einzige, was über die fleischqualität zu finden ist:

Die Fleischerei Hürner hat sich im laufe der letzten Jahre als Lieferant der gehobenen Gastronomie etabliert.
Das Liefervolumen umfasst in erster Linie marmoriertes, gut abgelegenes Rindfleisch der Spitzenqualität aus der Region Mostviertel.
Weiters Kalbfleisch, Schweinefleisch, Lamm und Wild in den vielfältigsten vom Kunden gewünschten Zuschnitten und Mengeneinheiten.

wofür ist das ama-gastrosystem wirklich gut? ich kann als konsumentin aus einem firmennamen vorerst gar nichts schliessen. ich muss mir diesen namen merken, zuhause nachsehen und im fall der fleischerei hürner bin ich dann so klug als wie zuvor. für meine entscheidung im restaurant ist dieses siegel nicht brauchbar.

1. weiss ich nicht, wofür es steht. laut website für:

Versehen mit dem AMA-Gastrosiegel garantieren Österreichs Wirte, dem Gast Gerichte aus hochqualitativen, heimischen Rohstoffen zu kredenzen.

aber: in den „eckpunkten des ama-gastrosystems“ ist zu lesen:

  • Basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit
  • Kontrollierte Herkunftsauszeichnung von 5 Rohstoffen aus frei
    wählbaren/verpflichtenden Produktkategorien auf den Speisekarten
  • Freiwillige Auszeichnung von Spezialitäten/Schmankerl (Rohstoff aus der Region) auf den Speisekarten

ich weiss als konsumentin nur, dass es sich um regionale produkte handelt. ich habe weiterhin keine ahnung, wie die tiere gehalten wurden, ob es sich um biologische oder konventionelle produkte handelt etc. (ja, ich weiss schon, wer echte bio-produkte verwendet, wäre blöd, das nicht auszuloben).

2. weiss ich nicht, ob das siegel bedeutet, dass sich die gastronomen damit zu irgendetwas verpflichten, ob das z. b. für alle produkte einer kategorie gilt oder ob das nur eine allgemeine absichtserklärung ist. kann es auch sein , dass z. b. ein stück fleisch irgendwo zugekauft wurde, das nicht der mindestanforderung des ama-gastrosystems genügt, nämlich aus der region zu stammen (aus welcher übrigens?)?

dafür werbung machen zu müssen, dass die in der gastronomie verwendeten lebensmittel aus der region stammen, finde ich ein kostspieliges armutszeichen. davon darf ich (das ist naiv, trotzdem) doch grundsätzlich ausgehen, weil die (grund)produkte in der regel nur dann wirklich frisch (reif, voller geschmack) sind. andererseits: wenn dafür geworben werden muss, kapieren die menschen vielleicht endlich, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie im gasthaus etwas aus heimischer landwirtschaft essen, auch wenn sie das bisher geglaubt haben sollten. darüber hinaus sagt mir diese initiative gar nichts. und solange in der ausbildung des servicepersonals nicht einmal das kleine 1×1 der lebensmittelkunde gelehrt wird, würde selbst das beste und strengste siegel nichts nützen.

5 Gedanken zu „eine frage der herkunft (1)“

  1. sollen wir uns auf autarkie oder auf nulldiät einstellen? – letzteres mag ich nicht so gern als dauerlösung;)
    und für die tierhaltung fehlt mir das schlachterhändchen, also kein fleisch mehr??????….s.deinen wurst-artikel!

  2. Liebe katha!
    Über AMA habe ich mir ja auch schon sehr oft Gedanken gemacht. Grundsätzlich ist eine Auszeichnung österr. Bio Ware unbedingt erforderlich.
    Was wir aber bei der AMA nicht vergessen dürfen, die AMA ist ein Marketingunternehmen und die landwirtschaftlichen Betriebe, oder auch Gastronomiebetriebe haben zusätzlich zu ihren ohnehin schon hohen Steuerabgaben noch Lizenzabgabenan die AMA zu leisten. So quasi noch als „Bestrafung“, weil die Bioproduktion ohnehin weniger profitorientiert erfolgt. Das ist für die Bio-Landwirtschaft kontraproduktiv.
    Damit vermute ich einmal, das AMA Gütesiegel können sich wieder nur die Großen leisten. Ein kleiner, der drei Mal den Groschen umdrehen muss, überlegt es sich doch, mit zusätzlichen Kosten zugepflastert zu werden.
    Sieht man sich den Tätigkeitsbericht der AMA an, so standen diesem Unternehmen 15,6 Mio Euro zur Verfügung, die hauptsächlich in Werbung geflossen sind. Werbungen, die am Konsumenten vorbeigegangen sind. Ich kann mich nur an die Werbung im ORF erinnern „Achten Sie auf das AMA Gütesiegel“.
    Eine einzige Befragung steht dem Tätigkeitsbericht zugrunde, ob man jetzt mehr auf das AMA Siegel achtet. Diese Frage ist für die Würschte, weil ausschlaggebend ist, ob der Konsument deshalb eher dieses Produkt kauft. Das Geld im Börsel ist dem Bauern wichtig, nicht die Ehre das AMA Gütesiegel tragen zu dürfen, denn das hat er sich mühsam erarbeitet.

    Zum Thema Sommelier gibt Fleischauskunft. Hier sollte der Herr S. entweder sagen, er holt einen Kollegen, oder bittet um Entschuldigung, weil sein Fachgebiet der Wein ist. Allerdings zweifle ich auch daran, wenn er meint, in Österreich kann man keinen ordentlichen Chardonnay bekommen. Dass ihm ein Chardonnay nicht schmeckt, ist sein persönliches Empfinden, das er aber nicht als vernichtendes Generalurteil abtun darf.

    Global will ich einmal sagen, das AMA Gastrosiegel sagt eigentlich gar nichts aus. ich habe mich ein wenig durch die AMA-Seite geklickt. Ich konnte nirgendwo erkennen, wie viele Produkte mindestens aus Bio Landwirtschaft eingekauft werden müssen. Dafür wird das Ambiente des Lokals begutachtet ….
    Die Voraussetzung für die Einhaltung eines Lizenzvertrages ist die Übermittlung von Lieferscheinen, Rechnungen etc. Das wird einmal kaum ein Gastwirt machen, weil (ich sag das einmal leise), fast jeder Wirt einen Teil seines Umsatzes nicht deklariert und „schwarz“ macht.
    Eine andere Schikane ist zum Beispiel: Es müssen Waldviertler und Ungarische Gänse getrennt gelagert werden. Das ist wirklich ein Hohn!
    so, jetzt schreib ich nicht mehr weiter, sonst bekomm ich noch einen Herzkasperl.

  3. Die Herkunft spielt auch für mich eine immer größere Rolle, nachdem die Skandale sich die Klinke in die Hand gaben. Beim Fleisch hat sich die Erkenntnis ja mittlerweile bis in den Supermarkt durchgesprochen, dass Qualität wichtig ist, aber wenn ich als Fan von exotischen Früchten sehe, welches gespritzte Zeug da so herumliegt, sogar auf den Märkten, dann finde ich, dass da noch einiges getan werden muss. Oft bestelle ich deshalb die Exoten lieber online, weil ich da eine Garantie für die Herkunft und Unbedenklichkeit bekomme.

  4. autarkie im sinne von überschaubaren einheiten (stichwort: csa – community supported agriculture) wäre sicher super, uli, von nulldiät halte ich natürlich gar nix. und weniger fleisch von weit besserer qualität wäre ein guter, ohne schweres schuhwerk zu gehender weg.

    ja, nathalie, ich bin da auch gefährdet. wenn der webmeister mit ist, schafft er’s meistens, mich bis spätestens nach der vorspeise umzustimmen, damit ich’s mit humor nehmen kann. aber wenn ich viel geld dafür zahle, vergeht mir auch der manchmal.

    die ama, liebe ente, ist ein ganz eigenes thema. wer mich kennt, weiss, dass sie/er mich darauf lieber nicht anredet, sonst explodiere ich. mich macht der verein wahnsinnig. ebenso wie solche sommeliers oder andere restaurant“fach“kräfte. das mit dem chardonnay war eine unglaubliche sauerei. ich dachte zuerst, er beliebt zu scherzen, aber er hat das echt ernst gemeint.
    was das ama gastrosiegel betrifft: es hat eben überhaupt nix mit bio zu tun! das ist es ja, das wird auch wieder suggeriert, aber es geht nur um „regionale“ qualität. und was heisst das schon? du merkst, ama und ich, das ist blutdrucksteigernd… dir geht’s ja offenbar ähnlich.

    ja, rudi, klar ist das auch bei obst & gemüse ein thema. aber in dem fall sind für mich die prioritäten klar: zuerst einmal muss bei tierischen lebensmitteln mehr bewusstsein vorhanden sein. es kann nicht angehen, dass die haustiere zu tode gehätschelt werden und das schwein, das das schnitzel liefert, ein leben lang gequält wird und leidet.

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