als mich elisabeth stein, die programmleiterin des brandstätter-verlags, im juni 2013 fragte, ob ich die redaktion und das fachlektorat für eine art sachbuch mit reisereportagen übernehmen wolle, freute ich mich zuerst einmal über diese ehre und fragte dann nach, worum es denn gehen solle. noch während sie den namen des autors nannte, wusste ich meine antwort.
georg schweisfurth war mir als (mit)gründer der bio-supermarktkette basic längst bekannt. sein erstes buch „biofood“, erschienen 2001, diente mir lange jahre als verlässliches nachschlagewerk, als das internet noch nicht gar so viel fundiertes wissen über dieses thema bereithielt und bio noch mit körndlfutter gleichgesetzt wurde. georg schweisfurth ist einer der söhne von karl ludwig schweisfurth und wie sein vater gelernter metzger. er hat 1988 gemeinsam mit seinem vater und seinem bruder karl die herrmannsdorfer landwerkstätten in glonn in der nähe von münchen aufgebaut. dann ging georg auf reisen und andere wege, gründete 1997 basic und leitet heute das ökologische seminarhotel gut sonnenhausen, einen katzensprung von glonn entfernt.
georg schweisfurth reist in diesem buch, die bio-revolution, seinem vierten, wenn man das (großartige und zu unrecht viel zu wenig bekannte) kochbuch der echte geschmack mit der dänischen köchin kille enna dazuzählt, quer durch europa. er besucht die menschen in 21 bio-betrieben, die in seinem über jahrzehnte gewachsenen verständnis von bio pionierhaft agieren, allesamt querköpfe sind, die trotz vieler widerstände nie ihr ziel aus den augen und nie ihre lust am arbeiten mit tieren und pflanzen – und am genießen – verloren haben. er diskutiert mit den bio-pionieren und bio-pionierinnen, fragt ganz genau nach, was sie antreibt, wie sie arbeiten, warum sie so arbeiten und warum sie glauben, dass sie damit so erfolgreich sind. denn erfolgreich im sinne von „gut und glücklich davon und damit leben können“ sind sie alle. wenn auch nicht von anfang an, aber auch die probleme spart schweisfurth nicht aus, sondern spricht sie alle an.
die besuchten bauernhöfe und verarbeitungsbetriebe liegen in spanien, frankreich, dänemark, schweden, deutschland, polen, der schweiz, österreich/ungarn und italien.
es geht um rohschinken und wein, um käse und bier, um ein sternerestaurant und einen schulgarten, um brot und olivenöl, um köchinnen und krabben, um milchkühe, milchschafe und milchziegen, um reis und um rinder.
das buch ist subjektiv und macht keinen hehl daraus. georg schweisfurth schließt auf der reise freundschaften und zettelt die eine oder andere streiterei an. er stellt größere zusammenhänge her, bleibt selbstkritisch, interpretiert und fordert. er macht (fast) alle der vielen fotos, die die reportagen illustrieren, selbst, zeichnet sogar die planskizzen zur verortung der betriebe. wenn man die reisereportagen liest, hört man georg reden. und das ist das schöne daran, dass das buch nicht gestriegelt und vermeintlich objektiviert werden musste, dass es auf eine fröhliche weise widerborstig sein darf.
[georg schweisfurth am weingut meinklang im burgenland, september 2013]
die leidenschaft und selbstverständlichkeit, mit der dieser mann bio lebt und beschreibt ist das, was mich schon vor dem kennenlernen – an einem heißen augusttag in sonnenhausen, bei dem wir beide zufällig blaue jeans und ein weißes leinenhemd anhatten, jeweils mit einem kleinen loch im leinen, aber ein lieblingsstück halt, fasziniert hat. kein wunder, weil es genau der gleiche zugang ist, den ich auch zum essen, zu lebensmitteln, zum umgang mit tieren und ressourcen habe.
deshalb freue ich mich sehr, dass ich mit georg schweisfurth an diesem buch arbeiten durfte.
ich war mir ja sicher, dass ich alle betriebe, die georg bereiste, kennen würde. dem war nicht so.
besonders zum thema tierhaltung stellt er betriebe vor, die im großen stil radikal anders arbeiten. deshalb passt diese kulinarische notiz heute auch perfekt zum tierfreitag.
ängavallen in schweden ist so ein beispiel, wo mit einer selbstverständlichkeit die kälber mit den kühen mitaufgezogen werden, und das, obwohl die kühe gemolken werden. es gilt, so rolf axel norström „das kalb unter allen umständen bei der kuh zu lassen“. ein ansatz, wie er früher ganz normal war, den aber heute aus kostengründen niemand mehr verfolgt. ängavallen ist ein moderner, profitabler und großer betrieb, aber eben einer, bei dem das tierwohl dort steht, wo es auf einem bauernhof hingehört: ganz oben. so eine milch hätte ich gerne, aber bei uns ist das (noch) kein thema.
oder juchowo in westpommern/polen, ein ort, der innerhalb der letzten jahre zu einer art bio-musterdorf wurde, mit rinderhaltung, die man bei uns für unmöglich halten würde, in ihrer großzügigkeit und wertschätzung dem tier gegenüber.
oder meinklang von familie michlits im burgenland, einem sehr großen demeter-betrieb mit getreide-, obst- und weinbau. der betrieb, von dem meine lieblingsessige und auch einer meiner liebsten weine, der graupert stammen. seit einigen jahren haben die michlitsens drüber der grenze in ungarn eine angus-rinderherde stehen, die mittlerweile fast 1000 kopf groß ist. und für die im vergangenen winter neue offenstallungen gebaut wurden. auch hier so groß gedacht, wie man es den bios eigentlich gar nicht zutrauen will, weil man sie lieber im kopf klein und niedlich und weltfremd hält.
dabei, und das ist die zentrale aussage des buches, kann bio die welt retten (das mag übertrieben klingen, aber nach georgs ansicht trifft das für die welt der landwirtschaft und der lebensmittel, der ernährung und des miteinanders zu). das zeigen die menschen im buch, die statt zu jammern die ärmel hochkrempeln und es einfach besser machen.
ps: auf der reise zu familie michlits – die einzige, bei der ich auch selbst dabei war -, zeigte uns anneliese michlits auch die ungarischen steppenrinder, die auf riesigen flächen im nationalpark leben. so sieht wohl artgerechte tierhaltung aus – obwohl auch diese tiere später gegessen werden.
Vielen Dank für den Buchtipp, die tollen Fotos und die Hinweise auf Betriebe, die in Sachen Bio so beispielhaft vorangehen! Wobei auch das womöglich ein zweischneidiges Schwert ist – weil Bio so immer mit mustergültigen Projekten von Idealisten verknüpft bleibt. Dass Bio die Welt rettet, würde ich gerne glauben, aber dazu muss sicher noch eine Menge passieren. Mich macht traurig, wenn ich höre, wie viele Biobauern inzwischen wieder aufgeben, weil sich die Landwirtschaft für sie nicht rechnet. Wenn Bio und wahrhaft respektvolle Tierhaltung eine Sache von Idealisten bleiben, wird beides einfach nie die nötige Breitenwirkung erzielen.
danke, sabine.
das thema ist natürlich weit komplexer.
was das aufgeben betrifft, sind zwei aspekte wichtig: 1. sind viele nur bio geworden, weil es prämien (staatliche/eu) dafür gab. fallen/fielen die prämien weg, ist plötzlich bio nicht mehr wichtig. das ist für mich nicht glaubwürdig. 2. „sich nicht rechnen“ ist nicht ein problem der bio-landwirtschaft, sondern ein problem der landwirtschaftspolitik: solange es keine kostenwahrheit für lebensmittel gibt, sondern sie quersubventioniert werden, solange wird sich anständige landwirtschaft nicht rechnen. leider.
die idealisten und idealistinnen hat es immer gebraucht, um voranzugehen. jetzt sind die anderen dran, sich zu trauen, mut zu fassen, sich ein beispiel zu nehmen. und die, die in form von kaufbereitschaft signalisieren, dass sie das richtig finden.
Alles absolut richtig. Nur: Dass irgendwann alle KonsumentInnen ihre Kaufkraft im Sinne einer besseren Welt einsetzen, ist zwar wünschenswert, aber vermutlich genauso wenig realistisch wie das Szenario, dass alle LandwirtInnen Idealismus über Verdienst stellen – wenn man Bio für die Breite will, muss man daher in Kauf nehmen, dass sich Leute aus „nicht glaubwürdigen“ (Dein Punkt 1) Gründen dafür entscheiden.
Ja, ich finde auch, dass sich die Landwirtschaftspolitik ändern muss. Und natürlich muss es Idealisten geben – nur durch solche VorreiterInnen können Ideen allmählich durchsickern. Aber ich bin ein bisschen pessimistischer als Du und Herr Schweisfurth: Vom Bio-Durchbruch sind wir noch weit entfernt. Leider.
wir sehen das ja ähnlich, sabine. ohne sturschädlerte idealisten und idealistinnen passiert aber nix. und wenn georg schweisfurth nicht von z. b. ängavallen erzählen würde, würde selbst ich nach wie vor glauben, dass man milch nur durch trennen des kalbes von der kuh wirtschaftlich „produzieren“ kann. es braucht solche beispiele, die zeigen, was geht, die mut machen, die vorangehen. natürlich sind wir nicht dort, wo wir hinmöchten, aber ich glaube, auf einem guten weg.