schreibkapazität habe ich derzeit (haha) keine frei. esskapazität immer. essfotografierkapazität fast immer, mit dem iphone unterwegs immer.
gespannt wie ein zwirnsfaden habe ich auf die eröffnung von josef weghaupts joseph bistro in der landstraßer hauptstraße 4, gewartet. drei leute von seinem küchen- bzw. pâtisserieteam durfte ich wegen einer veranstaltung schon vor ein paar monaten kennenlernen. das, was sie sich dafür überlegt und abgeliefert hatten, respekt. daher: zwirnsfaden.
lokalkritiken nach dem 1. besuch eines frisch aufgesperrten lokals zu verfassen halte ich für einen holler. aber ich muss zwei dinge sofort, nach meinem ersten mittagessen dort, drei tage nach der eröffnung, mit euch teilen, deshalb diese neue rubrik first eatact:
1. merkt euch den namen viola bachmayr-heyda. denn, konditoren und konditorinnen der hauptstadt, die ihr mich so gut wie alle enttäuscht habt (wiener jour doux), ihr könnt euch warm anziehen. viola hat bei pierre reboul im café central gelernt, war dann in portugal in einem sternerestaurant und macht jetzt als chef-pâtissière vor ort im 3. bezirk die besten kriecherl-meringue-tartes von überall. da ist alles perfekt: der mürbteig, die schön säuerliche frucht, die genau so cremig wie eine creme sein soll creme, der meringue-tupfer obenauf. so geht das dahin. buchteln mit vanillesauce, éclairs mit maroni und vogelbeeren, brandteigkrapferlmichelinmännchen (religieuse) mit powidl und mohn. viola. voilà. viola bachmayr-heyda. mein lieber herr gesangsverein, ich habe wieder hoffung.
2. bei all meiner bekannten vorliebe für helmut graggers brot (das wird auch weiterhin so bleiben): josephs bistro hat das zeug zum unkomplizierten stammlokal (das täglich – ! – offen hat). wegen der großzügigen luftigkeit (diese raumhöhe! diese fenster!). wegen der pâtisserie (viola bachmayr-heyda – alle guten dinge …). und vor allem wegen der küche von christian mezera (früher motto catering) und christoph fink (früher koch der schwedischen botschaft). die beiden sind quasi junge alte hasen, aber als solche bisher nicht in der ersten reihe gestanden. ihre handschrift ist schon jetzt lässig und geschmacklich präzise zugleich, etwas, das ich viel lieber mag als überambitionierte tellermalerei und verbissenen ehrgeiz. hier spielen alle geschmacksrichtungen (sauer! endlich sauer!) und texturen eine rolle. irgendwie mochi, aber ganz anders.
und die meisten zutaten sind bio. das ist auch mein einziger kritikpunkt: dass es nicht 100 % bio wurde, das bistro. und dass vor allem auch der kaffee nicht bio ist. tribeka, eh okay, aber es gäbe in wien, luftlinie ein paar hundert meter, zum beispiel die kaffeerösterei alt wien, die im gegensatz zu ihrem namen ziemlich zeitgemäß röstet, nämlich eine ganze reihe bio-fairtrade-kaffees, darunter meine lieblinge aus brasilien (demeter!) und bolivien.
ich finde das auch schwer kommunizierbar, weil in der bäckerei in der naglergasse ja alles bio ist (zumindest meines wissens nach, stehen tut das ja nirgendwo so genau), und man das vom bistro in der landstraßer hauptstraße auch erwartet. auf der speisekarte wurde das mit einem sternchen, das nicht-bio-zutaten kennzeichnet, geschickt gelöst. in der pâtisserie-vitrine erfährt man weder noch.
auf meine frage an der kassa, ob die neuen süßigkeiten aus viola bachmayr-heydas (sorry, es muss sein) reich bio seien, konnte man keine genaue antwort geben. die pâtissière selbst stand dann aber rede und antwort: was ginge, sei bio, also eh fast alles, auf jeden fall eier, milchprodukte, mehl, zotter-schoko etc., aber es gäbe halt ein paar sachen wie ein spezielles pektin oder auch für manche anwendungen eine spezielle schokolade, die nicht bio erhältlich seien.
wenn ich mir eins wünschen darf, dann 100 % bio. und, josef, ich leiste – ein ganz klein wenig – abbitte für die eine oder andere sehr spitze spitze. denn das bistro (und vor allem die pâtisserie …) hat mich schon beim first eatact gewonnen. bis bald!
das fand ich zu dunkel in den gesichtern, deshalb bat ich die herren josef weghaupt (links) und christian mezera (rechts) um verkleinerung:
und weil ich so frech war, bekamen wir die buchtel als vorspeise vor dem rollmops. jene buchtel übrigens, die josef gerade für seine facebook-seite fotografiert hatte:
ps: tolle frühstückskarte. wird demnächst probiert. ziemlich gutaussehende warme brote mit ziemlich gut klingendem zeug obenauf. werden demnächst probiert.
Hach, liest sich das fein. Hab dich lange nicht mehr so schwärmen gesehen. Ein Grund mehr (als ob’s nicht eh schon viele, viele gäbe) mehr für den Besuch in Wien…
großartig. dass du dir die zeit genommen hast. ich erlaube mir zu verlinken, weil ich so schnell nicht zu so viel text dazu komme.
ah aj: „mein lieber herr gesangsverein“ hört man viel zu selten ;)
grandioser auftakt zu first eatact
das mit den lokalkritiken ist tatsächlich eine heikle sache, aber wieviele besuche braucht es wirklich, um ein lokal und seine küche beurteilen zu können, drei besuche? ab wann ist ein lokal nicht mehr „frisch aufgesperrt“, nach drei monaten?
muss jetzt auch endlich dorthin kosten gehen und den rot-blonden wuschelkopf besuchen.
kann es sein, dass ich in wien noch nie zuvor eine mehlspeis-schnitte um 6.20 gesehen hab?
Die Gemüse nicht bio? Hm hm hm … aber bei einem gleichbleibenden Angebot für mich fast verständlich.
Jetzt bin ich noch ein bisschen trauriger, dass ich mit meinem „Wir fahren nach Weihnachten ein paar Tage nach Wien“-Pitch zuhause nicht landen konnte :-(
ich wundere mich eh auch über mich, marqueee, aber auch am tag danach kein kater, sondern vorfreude aufs nächste mal. und irgendwann einmal mit dir.
danke, angelika, klar verlinken, immer gerne, das bedarf keiner gesonderten genehmigung ;-)
(mit dem herrn gesangsverein verbinden du und ich aber auch andere dinge als die meisten anderen leute.)
danke, alexandra. gute frage. ich fände es großartig, wenn’s in den tageszeitungen bei eröffnung nur eine info darüber gäbe, dann aber erst zwei monate später kritiken. es ist eh immer eine momentaufnahme, aber die hängt von so vielen faktoren ab, dass mir jetzt und hier die zeit dafür fehlt. wäre mal ein schönes thema für eine öffentliche diskussionsrunde in real life. teuer war joseph schon immer. für pâtisserie dieser art bin ich bereit, es zu bezahlen, wenn ich weiß, dass anständige (meine definition davon ist bekannt) produkte verwendet werden. gibt’s sonst eh nirgendwo in dieser qualität.
doch, das meiste gemüse ist bio (ich kenne den bauern, klaus rapf, persönlich), hesting. wo hast du das gelesen?
ich auch, alex. das wäre eine schöne sause geworden! dann kommt doch einfach zu silvester :D
„first eatact“ ist natürlich genial :-)
ich war diese woche schon drei mal dort und das nicht nur, weil ich gleich um die ecke wohne…
danke, claudia, was einem halt spätnachts so einfällt, wenn man von der schreibenden zunft kommt und nach titeln ringt. was hast schon alles probiert?
Ich zieh jetzt nach Wien.Genaugenommen direkt über dieses Lokal.
moment, beate, da ist eine wohnung frei? du meinst die mit dachterrasse und hinten raus garten samt naturbadeteich? dann habe ich heimvorteil. die nehme ich. ich wollte immer schon in patschen ins stammwirtshaus frühstücken gehen können.
Das Konzept scheint ja aufzugehen, die Produkte sehen lecker aus.
Jedoch frage ich mich bei den Fotos, ob es Teil von „Bio“ ist, in der Küche ohne Kopfbedeckung zu arbeiten?
Sehr schöne Auswahl, aber leistbar ist das für die meisten Leute wohl auch nur seltenst. Leider.
Ich meine das saisonale Gemüse und den Hummus bei „Sonnenaufgang“, beide sind mit einem Stern versehen.
finde ich auch, dass die produkte gut aussehen, backfee. was die kopfbedeckung betrifft: meines wissens nach sind kopfbedeckungen nur in küchen der gemeinschaftsverpflegung (z. b. in krankenhäusern) verpflichtend (habe das jetzt aber nicht recherchiert). mit bio hat das nichts zu tun.
alles eine frage der prioritäten, hubertus. es stimmt, joseph war schon immer teuer. aber das sind ja keine dinge, die man jeden tag essen muss. und wenn ich z. b. schon nicht selbst backe, freue ich mich, endlich (endlich!) eine alternative in wien zu haben, bei der ich einkaufen mag – wegen der qualität der rohstoffe und der fertigen produkte. gute lebensmittel sind zu billig, schlechte sowieso. aber das ist eine diskussion, die nicht unbedingt was mit dieser neueröffnung zu tun hat.
ahja, hesting, hast recht. wird wohl irgendeine hintertür sein, die sie sich da offen lassen wollen. beim hummus reicht’s ja schon, wenn eine einzige zutat nicht bio ist. allerdings verstehe ich nicht, warum das so sein sollte.
ich bin mir schon bewusst, dass eine (fehlende) kopfbedeckung nichts mit bio zutun hat… sollte eigentlich zynisch gemeint sein. ob verpflichtend oder nicht – ich finde, zugunsten der hygiene sollte man sich (falls wirklich nicht verpflichtend) dafür entscheiden.
Höchste, allerhöchste Zeit mal wieder nach Wien zu fahren …
Sehr schöner Bericht, danke! Darf ich fragen, ob Du bei einem eatact als ’normaler Gast‘ das Restaurant besuchst & selbst bezahlst / ob Du Dich beim Besuch zu erkennen gibts / ob Du bei Deinem Besuch eingeladen bist / ob Du ggfs. Honorar erhältst für den Bericht?
ich weiß ja nicht, wie oft du in wien bist, oachkatz, aber ja, das ist ein guter grund.
danke fürs lob, brunello, und für deine fragen. das ist eine gute gelegenheit, um darauf zu antworten, denn diese fragen bekomme ich immer wieder gestellt:
ich zahle mein essen immer selbst und bin – auch deshalb – ein ganz normaler gast. ich gehe nicht zu pre-openings. beides unterscheidet mich von vielen anderen food blogger/inne/n, aber ich mache das im gegensatz zu den meisten anderen ja auch beruflich: übers essen schreiben.
was das „zu erkennen geben“ betrifft, ist die sache eher andersrum. in wien dürfte ich mittlerweile bekannt wie ein bunter hund sein. und weil ich ja nicht nur hier auf esskultur, sondern seit 13 jahren beruflich übers essen schreibe, habe ich mit vielen gatronom/inn/en schon mehr oder weniger lange beruflich zu tun.
ich würde sehr oft von restaurants zum essen eingeladen werden, „um mir ein urteil zu bilden“, gehe aber genau deshalb nicht hin, oder gehe, wenn es mich interessiert, unabhängig von einer einladung hin, ohne mich zu erkennen zu geben, damit ich in ruhe essen (und bezahlen) kann.
für keinen einzigen beitrag auf esskultur habe ich jemals honorar erhalten und werde ich jemals honorar annehmen, folglich auch für diesen nicht. esskultur und damit meine meinung war immer, ist und bleibt unabhängig. für beiträge in den medien, für die ich schreibe, bekomme ich selbstverständlich honorar, davon lebe ich ja.
und ein nachsatz zum „eingeladen werden“: mir fällt in letzter zeit positiv auf, dass beim bezahlen gar nicht mehr das thema „dürfen wir sie einladen?“ auf den tisch kommt. wahrscheinlich, um nicht in den verdacht des bestechungsversuches zu kommen (das klingt jetzt dramatischer, als es gemeint ist, der versuchten einflussnahme, des erkauften berichtes). und das finde ich gut so.
was mich sehr interessieren würde, wäre, wie die kolleg/inn/en das handhaben, die zwar (ausschließlich oder auch) als journalist/inn/en für medien arbeiten, aber dort beileibe nicht alle essen, von denen sie via blogs oder social-media-kanälen erzählen, in beiträgen verarbeiten. ich fürchte aber, dass ich darauf keine antwort bekommen werde.
die antwort zur „zahlungsmoral“ als gastrokritikerin finde ich sehr spannend! danke für die ausführungen, toll, dass du das so machst. ich glaube, da bist du wohl eher die ausnahme…? und auf joseph ind er landtraße freue ich mich schon sehr :) (im moment genieße ich das zustellservice via hausbrot.at , wie zum beispiel wiedermal morgen früh…)
Danke, Katharina, für die offenen Antworten. Welche ich persönlich sehr sympathisch finde!
Letztlich ist Transparenz wichtig. Wer eingeladen wird, ob für Hotel-Tests, Autot-Tests oder Restaurant-Tests, soll dies zumindest offen deklarieren. Dann kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden (auch eingeladen sein muss nicht unbedingt eine Verfälschung der Beurteilung bedeuten).
Wie machen das andere? Nun, mit Berichten über Restaurants Geld zu verdienen ist zunehmend schwieriger geworden. Die Budgets in den Redaktionen sind knapper geworden. Einladung gegen sympathischen Bericht mag da in den Köpfen mancher geistern.
Und in der Blogger Welt? Da gibt’s mache, welche ‚fressend‘ durch die Restaurants ziehen. Auf Einladung, Facebook-Kommentare inklusive. In manchen Fällen als Extra einen langen Bericht. Also „Restaurant-Marketing“. Andere gibt’s, die betrachten die Dinge aus der Sicht des Gastes. So scheint es auch bei Dir. Ökonomisch ist das aber kurzfristig ein ’schwierigeres‘ Model. Langfristig bringt es Glaubwürdigkeit und kann sich lohnen!
Freue mich, mehr interessante Berichte von Dir zu lesen!
Ach ja – pre-openinges; Ein solches hat es ja auch beim Joseph Bistro gegeben, und darüber wurde ja in diversen Medien & Blogs euphorisch berichtet. Kaum verwunderlich. Ich vertraue aber auch lieber der Meinung jener, welcher nicht beim Pre-Opening eingeladen waren!
gerne, barbaraschoeber und brunello. zum pre-opening hätte ich (egal ob als journalistin oder als bloggerin, bin das ja eh in personalunion) ganz gewiss kommen können, aber wie oben geschrieben, das mache ich aus prinzip nicht.