die einzige sorge, die menschen wie mich vor einem besuch im drittbesten restaurant der welt (nach el bulli und the fat duck) plagt, ist die vor einem schnupfen. ich war pumperlgsund und daran konnte auch der kopenhagener wind (dagegen ist der wiener ein mailüfterl) nichts ändern. vorbei an bauzäunen und blühendem beifuss haben wir den weg zum noma – das auf der insel christianshavn in kopenhagen in einem alten hafenspeicher zu finden ist – zu fuss genommen. das scheint niemand sonst zu machen, aber das grönländische reisebüro und die alten kanäle am weg waren die beste einstimmung auf die new nordic cuisine von rené redzepi und seinem team, die er seit der eröffnung des noma im herbst 2003 dort kocht.
ich hatte noch per mail angefragt, ob es möglich wäre, das grosse menü in 12 gängen auch zu mittag zu bekommen, aber die antwort, die nicht mehr vor unserem abflug eintraf, leider erst zurück in wien gelesen: das wäre kein problem, aber dafür sollten wir um 12 statt um 13 uhr kommen, wenn das möglich wäre. wir waren – unserem wissens- und reservierungsstand entsprechend – pünktlich um 13 uhr im noma, wurden freundlich begrüsst und flott zum tisch geleitet. erst zuhause wurde mir klar, warum es mit den berühmten fünf snacks, die noch vor dem menü serviert werden, so schnell losging: die küche hatte eine stunde früher mit uns gerechnet und war ein wenig unter zeitdruck. gut, dass uns das niemand im noma spüren liess.
1. snack: knuspriges keks mit rotem ribiselpulver, speck und eingelegtem tannenwipferl, serviert in einer uralten keksdose. besser hätte der einstieg für mich nicht sein können: ich liebe alles knusprige, säuerliche beeren, speck sowieso und die eingelegten tannenwipfel habe ich erst vor zwei monaten in kanada kennengelernt und ein glas davon mitgebracht.
2. snack: geräuchertes wachtelei, der dotter heiss, aber flüssig, ein paar salzkristalle obenauf. sympathisches spektakel, wenn der gast das ei öffnet und der duftende rauch aus dem heu aufsteigt. das ei schmeckte so gut, dass ich es gerne regelmässig zum frühstück hätte.
3. snack: sandwich aus knusprigem roggenbrot und knuspriger hühnerhaut, gefüllt mit einer creme aus geräuchertem frischkäse und favabohnen. was soll ich dazu sagen? ein wunderding, eine kombination, der ich nicht zugetraut hätte, so harmonisch zu schmecken. das brot hauchdünn, die hühnerhaut fettig, aber krachend wie ein schweinsbratenschwarterl, die creme ganz leicht säuerlich, mit ein wenig räuchergeschmack und durch die grünen, grob zerdrückten favabohnen extrem frisch und chlorphyllig, ein wunderding eben.
4. snack: junges gemüse – karotten und radieschen – im blumentopf. die „erde“ besteht aus gerösteten haselnüssen und malzmehl, die grüne emulsion basiert auf joghurt und enthält u. a. estragon. dieser snack kommt in jedem bericht über das noma vor, es ist ein signature dish und das wohl zu recht: die freude an der leichten irritation, das anregen zum essen mit den fingern, das produkt, das immer im vordergrund steht. wir wurden dazu angehalten, die gemüse, die natürlich mit den stielen essbar waren, in die „erde“ und die darunter eingefüllte emulsion zu tauchen. das gemüse kalt und knackig, die brösel erdig in einem warm-malzigen sinne, dabei leicht bitter, die emulsion frisch und verbindend. wenn ich nicht gewusst hätte, dass noch 12 gänge folgen würden, hätte ich den blumentopf ungeniert mit den fingern ausgeputzt. sowas stört dort übrigens niemanden.
5. snack: knuspriges brot mit brauner butter, kräutern, blüten und essigpulver. so schön kann essen sein – im doppelten wortsinne. filigranes brot, das aber so schmeckt, als sei es eine dicke schnitte weissbrot mit sehr viel butter geröstet, darauf sehr zarte saisonale kräuter und das essigpulver, das den gaumen putzt und einstimmt auf alles, was noch kommt.
noch mehr noma:
teil 2: brot und gang 1/12
teil 3: die gänge 2-6/12
teil 4: die gänge 7-12/12
teil 5: blick in die küche, gespräch mit rené redzepi und abschied
Katha, bisher schauts gut aus! Was mich jetzt spontan anmacht ist die präsente Rolle, die Zutaten zukommt, welche in der traditionellen Hochküche unter „Beilagen“ laufen- Brot und Gemüse.
Sieht ja sensationell aus. Obwohl ich ja lieber zu Hause koche und somit genau weiß, was drin ist, könnte ich hier fast schwach werden. Und wie sieht es mit dem Rest des Menüs aus?
Umwerfend, deine, also, deren Snacks. Erster Eindruck: Nicht so Jaques-Tati-Futurismus wie bei Adrià. Sehr geerdet, aber brutal innovativ. Freu mich auf die nächsten Gänge!
ui, das mit der krossen hühnerhaut gefällt mir besonders gut, super idee. Ich war letztes jahr in kopenhagen und wir sind auch genau an diesen kornspeichern vorbeigelaufen, hätte ich nur geahnt, was sich dahinter verbirgt….
ich beginne zu verstehen: oktober – salzburg – unbedingt….
Trotz Zahnschmerzen möchte ich sofort in die Hühnerhaut beißen; da lacht mein „perverses“ Feinschmeckerherz. Ach was, ich will alles. Schon die ersten Beschreibungen lassen ahnen, daß dem „Noma“ eine Gratwanderung wohl ganz grandios gelingt. Wann geht der Vorhang für den nächsten Akt auf?
Schaut ganz unprätentiös aus: schlichter Eingang, blanker Holztisch, einfaches Royal Copenhagen. Ein bisschen kindlich-verspielt …. bin gespannt auf die Fortsetzung.
Oh, ich muss unbedingt einen Vorwand finden, die Kollegen in Kopenhagen zu einer Besprechungseinladung zu kriegen. An einem Freitag.
interessant, aber essen tue ich lieber etwas „handfestes“.
wie sind die tannenwipferln eingelegt? – so ungefähr????-
nur süß? dann muss ich die reste des maiwipferlsirupansetzens nächstes jahr nicht entsorgen?!:)
bei solch einer menübeschreibung bleibt das detail haften!
brot und vor allem gemüse, davon kommt noch mehr, duni.
die tannenwipferl waren eher neutral bis salzig/säuerlich eingelegt, uli, jedenfalls gar nicht süss. aromatisch, aber nicht pentrant. ich muss mal auf meinem glasl aus kanada nachschauen, wenn du’s genauer wissen möchtest.
bitte mal schauen;) danke! eilt aber nicht, die nächsten wipferl werden erst im mai gezupft!
uli, die kanadischen „spruce tips“ (also fichtenwipferl) enthalten: spruce tips, water, concentrated natural lemon juice, sea salt.
mir hat die dame in dem geschäft empfohlen, sie fein zu hacken, mit crème fraîche zu mischen und zu räucherlachs zu servieren.
jedenfalls: gar nicht süss! wald pur.
Ich bin begeistert!
Die Snacks sind kreativ, aber nicht überkandidelt.
ich versuche gerade meine erste Wahl zu finden und muss gestehen, ich könnte mich nicht entscheiden. Sieht alles derartig köstlich und knackig aus.
Katha, Sie schreiben und beschreiben phantastisch. Wenn Sie bei Horx
Esstrends nachlesen ist das mehr als modernste Küche es ist eins drüber. Sobald ich Kopenhagen bereise, ist s dabei, wenn ich noch reinkomme. Zum Zeitpunkt meines Lesens war das Noma schon an 1. Stelle der 50. besten vor El Bulli. Tip. Top. la miacuccina lässt sich mit handfestem was entgehen. leider gehen weder viele köche noch viele gäste solche tollen „risiken“ ein.
vielen dank, jeanjacques!
ich glaube ja, dass im moment noch nicht absehbar ist, was rené redzepi da eigentlich angestoßen hat (und welchen – fast schon paradigmen- – wechsel). solange er nicht nur kopiert wird, sondern sich die wirklich guten, kreativen, fleißigen köch/inn/e/n auf ihre eigene umgebung besinnen, wird es lange spannend bleiben.