der wehmut nächster akt

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ich weiss auch nicht, was da in mir drin nicht stimmt, aber gestern, bei einem radikal reduzierten 15-gängigen menü war es wieder da, das noma-gefühl: etwas zu erleben, das ganz aussergewöhnlich und daher weder festzuhalten noch auf die gleiche weise wiederholbar ist, das aber selbstverständlich sein sollte, weil es sich so anfühlt: selbstverständlich und richtig.

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die herren philipp (furtenbach), philipp (riccabona) und thomas (wisser) haben ihre alten töpfe, die einfachen kompottschüsserln, die porzellanlöfferln und die meisterwurz gepackt und endlich wieder gekocht. das haben sie bis zum sommer 2008 über zwei jahre lang regelmässig in der saint charles alimentary in wien getan – und mein allererster eintrag hier auf esskultur.at hatte die küche der drei zum thema.

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sie verkochen nämlich nur produkte mit „persönlich bekannter herkunft“, aber auf extrem puristische art.

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sie pflücken und sammeln selbst, bekommen fisch und fleisch von befreundeten jägern oder auch mal züchtern, die zitrone gestern kam ebenso aus beirut von einer freundin wie der sumach oder die johannisbrotmelasse. sie wollen die zutaten entweder persönlich bis zu ihrem naturzustand zurückverfolgen oder das stellvertretend durch vertrauenswürdige menschen tun. deshalb gibt’s auch meist weder salz noch zucker im herkömmlichen sinn, auch keine gewürze.

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wo bekommt man vier (!!!!) klare, ungesalzene fonds ohne jegliche einlage hintereinander als die ersten vier gänge eines menüs serviert? und welcher fond würde ungesalzen und ohne jegliche einlage überhaupt gut genug dafür schmecken? eben.

das gestrige menü:

  1. wurzelfond (meisterwurz, engelwurz, pastinake u. a.)
  2. saiblingsfond (saibling von einem befreundeten züchter, der den viechern viel mehr platz und frischwasser zugesteht, als jene kollegen, denen es um den grösstmöglichen profit geht)
  3. entenfond von wild- und bio-zuchtente
  4. hirschfond von einem tier, dessen korrekte waidmännische bezeichnung mir nimmer einfallen will, jedenfalls ist der kopf, der mehrmals auf den bildern zu sehen ist, von ihm
    consommé double vom rind (hat mir philipp gemailt, sorry, da ist wohl das geweih mit mir durchgegangen, der hirsch kam später zu tisch)
  5. die letzten paradeiser aus dem burgenland mit dem letzten (angewelkten) basilikum
  6. herbstgemüse wie fenchel, spinat, kürbis, dazu gebratene maroni und walnüsse. quitte und irgendwas herb-fruchtigesao essn 20091020 09
  7. büffel mit büffel (von robert paget, von wem sonst)
  8. saiblingstatar mit chili aus gänserndorf und der beiruter zitrone
  9. gebratener saibling mit butter und sumach
  10. flusskrebs mit dinkelnudeln und kohlao essn 20091020 11
  11. gebratene wildentenbrust und bio-zuchtentenbrust, ohne allesao essn 20091020 12
  12. hirsch mit dem eigenen jus und hagebutte
  13. warmes ziegenkäsebrot
  14. bregenzerwälder bergkäse mit der erwähnten johannisbrotmelasseao essn 20091020 33
  15. mohnnudeln mit eingedicktem traubensaftao essn 20091020 40

und danach die duftende und wohltuende meisterwurz am löfferl.

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dazu eine sympathisch-fröhliche tischgesellschaft, ein paar weine flaschenweise (wer sich nicht kannte, musste spätestens hier in verhandlungen mit den tischnachbarn und -nachbarinnen – es waren nur vier frauen von 16 leuten, warum? – treten) und ein absolut leerer raum, in dem der gastgeber, der irische künstler john gerrard, ab 1. dezember seine arbeits-zelte aufschlagen wird. nur die küche ist schon fertig. zum glück.

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ao& (so heisst das kollektiv der kochenden künstler) kocht dort noch bis sonntag, allerdings sind bis auf sonntag alle plätze bereits reserviert. john möchte diese art von kocherei mit ao& gerne viermal im jahr machen. ich hoffe sehr, dass dem so sein wird. so lässt sich die zwischenzeitliche wehmut ertragen. ich habe keine hoffnung auf nachahmer, dazu ist das konzept viel zu aufwändig. wäre schön, wenn ich mich irren tät‘.

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26 Gedanken zu „der wehmut nächster akt“

  1. Da reisst die Katha wieder eine Welt auf, mir bleibt die Spucke weg.
    Darf ich fragen?

    Bei deinem ersten Beitrag kostete das Mittagsmenü 15 Euro.
    Und der 15-Gänger?

    Warum wird die Alimentary nicht mehr betrieben?

    Die konsequente Verfolgbarkeit der Produkte, Dogma oder „hat sich so ergeben“?

    Synchronität: Keine Zeit-, Lager- Frische-Probleme für einen 15-Gänger?

    Was, wenn ich Zitrone möchte, aber keine Bekannte in Beirut habe?

    Warum kein Salz?
    Gäbe es Salz, wenn sie einen befreundeten Fleur de Sel-Pflücker kennen würden?

    Vier Fonds zur Vorspeise finde ich extrem kühn!
    Danke für den Einblick in diese beneidenswerte Erfahrung!

  2. sowas kann nur jemand mit viel Begeisterung, Freude, im kleinen Kreis und ohne Gewinnabsichten, deshalb auch nur über kurze Zeit durchziehen. Schön, dass Du uns darüber erzählen konntest.

  3. ich vermute, dir könnte das taugen, claudio.

    ganz kurz, bevor ich nach tschechien zum teil drei meiner zucker-reportage aufbreche:

    1. 60 euro.

    2. ich glaub‘, die drei männer sind schon mehr künstler als köche und die feste struktur hat ihnen die gut zwei jahre lang gereicht. aber ich kann mich auch verschätzen. werde mal nachfragen. es gibt sie noch, die alimentary, sie wird derzeit bio bekocht, ich war erst einmal dort und schweige daher zur qualität der küche. hat jedenfalls nichts mehr mit dem ursprünglichen konzept zu tun.

    3. gute frage, das habe ich nie hinterfragt, warum, sondern nur, wie sie das anstellen. werde ihnen den link schicken, vielleicht antworten sie selbst darauf.

    4. nein. die sind eingespielt wie ein ballett, wunderschön anzusehen. dabei sowas von entspannt, dass es eine doppelte freude ist. kühlschrank gibt’s einen, aber da muss ja nicht viel gekühlt werden ausser fleisch und fisch.

    5. genau das ist der punkt: sie sind so extrem flexibel, dass sie dann halt irgendwie anders säuern, mit etwas aus früchten (saurer traubensaft, reduziert) oder wein etc.
    es gibt nie „gleiche“ gerichte, weil sie nur mit dem kochen, was sie zur zeit zur verfügung haben. die drei würden nie im leben zum nächsten lebensmittelladen am eck gehen und irgendwas ergänzen, was ihnen ausgegangen ist. dann schon viel lieber und mit sehr grosser lust improvisieren.

    6. neinnein, es gab sogar schon öfter salz, und ich bilde mir ein, im mörser im eck einen salzstein (bergkern aus bad aussee) gesehen zu haben. wir haben ja salz in österreich. es muss ihn halt wer von dort persönlich mitgebracht haben. aber das wilde: das salz hat nicht gefehlt. kein prischen davon!
    ja, möglicherweise würden sie auch das gepflückte salz sehr gerne nehmen, wenn ihnen ein freund/eine freundin etwas davon mitbringen würde und genau dokumentieren könnte, wo und wie es herkommt.

    die fonds waren klasse. den wurzelfond gab’s schon immer, damals hat er halt wie eine meistersauce monatelang weitergekocht und wurde ergänzt. der vorgestrige war frisch und daher nicht so potent.

    ja, robert, vermutlich hast du mit deiner einschätzung recht. ich hoffe sehr, dass es nicht das letzte mal war und dass auch anderswo ähnliche „bewegungen“ (blödes wort) entstehen.

  4. Einmal mehr Danke, Katha, für die Teilhabe an einer offenbar wunderschönen Erfahrung. Großartiges Konzept, mir gefällt die Vorstellung, dass ganz tief in die Sinnesfreude, sozusagen im Zentrum des Genuß‘ über das Konzept und den damit verbundenen Verzicht eine Ahnung von Askese eingewoben ist.

    Und als Ganzes in der Tat irgendwo im Grenzberich zwischen Gastronomie und Kunst-Happening, -Aktion, -Performance, -Whatever. Sollte eigentlich auch dem Daniel Spoerri gut gefallen.

  5. Erinnert wirklich an Spoerri oder auch an die legendären Kubelka Kochereien – sicher ein interessantes Ess-Happening, das in so improvisiertem Ambiente Spass macht. Die freiwillige Selbstbeschränkung oder Askese ist sicher spannend, widerspricht jedoch meiner pragmatisch-nüchternen Genussfreudigkeit, die Kochen und Geniessen nicht als kulturelles Hochamt betrachtet. Warum soll ich angewelktes Basilikum in Oktober essen, wenn es doch im Juli sonnengetränkt und prall viel besser schmeckt?

  6. Ich glaub, das war einfach nur ein geiles Essen an einem schönen Abend mit tollen Leuten, ich beneide dich, danke für den Bericht. Die ganze Philosphie(?) die wohl dahinter steckt, ist mir zu heavy…

  7. Ich finde die Kombination total spannend. Dieser „Ur“geschmack der -Leben-smittel und das unpreziöse Ambiente: offenes Ofenrohr, Stempel, Fotos, .. :)

  8. ach, ich sehe das wie marqueee, eline, diese ahnung von askese inmitten einer sehr genussvollen und fast ausschweifenden angelegenheit macht das ganze nur noch spannender und wertvoller. ausserdem gibt’s auch den beginn und das ende einer saison und nicht immer ist alles nur im idealzustand zu haben. diese ahnung von vergänglichkeit und der damit verbundene geschmack ist auch nicht ohne.

    philipp hat mir auf meine frage, ob er lust und zeit hat, die fragen zu beantworten, die claudio gestellt hat, mit „ja, aber erst nach sonntag“ zurückgemailt. also anfang nächster woche hier nochmal reinlesen.
    ausserdem hat er mich korrigiert (der fairness halber muss ich sagen: zuerst hat er sich sehr bedankt und gefreut), dass der vierte fond nicht vom hirsch, sondern vom rind war, werde ich gleich korrigieren.

  9. Ich denke, es geht bei derartigen Projekten viel ums durchaus notwendige und spannende Beschränken, Weglassen. Nahezu alle Lebensmittel sind in beliebiger Qualität und Menge stets verfügbar. Natürlich schmeckt die Zitrone der Freundin aus Beirut nicht anders als die Zitrone aus dem Bioladen oder die bei mir im Obstkörberl-aber sie gewinnt ihre Einzigartigkeit aus der Vernetzung von Leuten, hier Köchen, Gästen, Sympathisanten, die ihre Ankunft auf den Tellern erst möglich gemacht haben und wird daher mit Sicherheit intensiver und „anders“ wahrgenommen.
    Außerdem meine ich, dass derartig simple, klare, „offene“ Gerichte guttun ,weil sie einen Gegendstandpunkt zu den hochtechnisierten, durchrationalisierten Kunstprodukten der vorherrschenden Industrieküche bilden, bei denen weder Herkunft der Zutaten noch Produktion der sog. Speisen nachvollziehbar sind.

  10. Das rasend spannende daran finde ich, daß sie den emotionalen, persönlichen Bezug zu den einzelnen Lebensmitteln zulassen – nein, fordern. Ich begreife immer mehr, wie sehr das eigentlich der verborgene Kern jeder Lebensmittelkultur ist. Vor ein paar Tagen habe ich einem Thomas Haag gegenübergesessen, der vordergründig nicht viel mehr tat, als mir von zwei seiner besten und ältesten Weine einzuschenken und zuzusehen, wie ich davon probiere. Zu merken, wie ihm das Herz glüht, wenn er mit knappen Worten erzählt, wie er die gemacht hat, und zwischen den Zeilen, was sie ihm bedeuten. Später in seinem Weinberg zu stehen. Seitdem ist sein Wein für mich ein wirklich anderer. Wirklich anders meint wirklich anders. Kein als-ob: das zuzulassen ist, glaube ich, der entscheidende innere Schritt.

  11. Also das Konzept finde ich schon spannend, und würde es auch sicher gerne probieren, das Essen, nicht das Konzept ;-). Und wenn jemand Essen-machen zur Kunstform ernennt, auch gut. Ich selber bleib da schon lieber ein bisschen mehr am Boden und sage mir: Essen ist Essen. Es soll gut sein, möglichst saisonal, regional und frisch, es soll schön aussehen, Appetit machen, es soll satt machen, aber dann auch Punkt. So kleine Ausflüge in ein „Erlebnis anderer Art“ find ich toll, aber alltagstauglich ist es nicht. Ich hätte nie den Anspruch in meine Produkte „reinzugehen“ oder mich mit den Kristallen in meinem Wasser identifizieren zu wollen ;-). Ich verstehe schon diesen inneren Wunsch zum ursprünglichen zurück zu kehren, und vielleicht schärfen solche „Übertreibungen“ ja auch unsere Sinne.

  12. Ellja drückt meine Meinung besser aus, als ich es tat ;-)
    Nochmals: MIR fehlt die innere Einstellung zu diesem Konzept, damit möchte ich nichts abwerten. Ich finde gut, dass sich viele Menschen mit Essen auf verschiedenste Arten beschäftigen.
    „Gebratene wildentenbrust und bio-zuchtentenbrust, ohne alles“ hat für mich was Pädagogisches. Das ist eine Tendenz, die ich auch an der Slow Food Bewegung nicht so begeisternd finde, trotz aller Anerkennung für die Leistungen dieser Vereinigung.
    Worum ich die Veranstalter dieses Essens total beneide: das schöne Besteck auf Bild 6. – umwerfend!

  13. danke, duni, für die wohlformulierten überlegungen, ich unterschreibe sie gerne. der zweite absatz ist ja fast die essenz dessen, was ich als antrieb meiner arbeit sehe.

    michael pollan sagt in „in defense of food“ (lesenswert, übrigens!) sinngemäss „shake the hand that feeds you“ und diesen bezug, so wie ihn auch limonium erwähnt, wiederherzustellen, ist gar nicht so einfach. ich habe das gefühl, man muss dabei auch aufpassen, nicht gar zu elitär zu argumentieren. mir gefällt so ein essen wie das beschriebene ja auch deshalb so gut, weil ich sehr häufig sehr gut esse und diese klarheit, die reduktion auf das eigentliche, nämlich das jeweilige gemüse, fleisch, oder die essenz daraus, dort so gut wie immer vermisse. es wird alles gemischt und aufgezwirbelt und zu immer neuen (vermeintlichen) höhenflügen kombiniert. wie oft habe ich da schon eine bruchlandung am teller gehabt! wie wohltuend, wenn jemand – gekonnt! – alles weglässt, was maskiert, mischt, fusioniert. das geht natürlich nur mit den allerbesten lebensmitteln, mit durchschnittlichen würde nichts übrig bleiben und ein menü wie dieses nur lächerlich schmecken.

    klar verstehen sich die ao&-leute auch als künstler und insofern ist so ein abend auch kunst. ich möchte das thema aber damit nicht abhaken und abschliessen, sondern genau dort ansetzen: der avantgardistische ansatz dieses „projektes“ ist für mich ein sehr deutlicher hinweis darauf, wohin der zug fahren wird. nicht bio oder regional (übrigens: „regional ist das neue bio“ halte ich für eine perfide verallgemeinerung), nicht gütezeichen, sondern: ich esse das, von dem ich genau weiss, woher es kommt und wer es gemacht hat. wenn ich ein paar kriterien für qualität kenne und geübt darin bin, diese zu beurteilen, dann brauche ich auch niemanden mehr, der mir anhand eines schwindlichen siegels sagt, ob ein produkt gut, super oder sensationell ist (meist kommen alle drei aus der fabrik). und genau deshalb halte ich das konzept für extrem alltagstauglich, wenn mehr menschen diese art von lebensmittelqualität einfordern. meine interpretation bezieht sich weniger auf das „ursprüngliche“, ellja, oder gar ein „übertreiben“ (so empfinde ich das nämlich überhaupt nicht), sondern ganz im gegenteil darauf, wohin der essens-zug eigentlich gehen soll. oder wird. ich halte solche veranstaltungen für extrem wichtig, weil sie einen neuen blick auf das scheinbar genau abgesteckte feld der ernährung und der lebensmittelproduktion zulassen. und ohne frischen wind in den köpfen und bäuchen ist der industriellen lebensmittelproduktion und der massentierhaltung kein einhalt zu gebieten.

    nein, eline, es hat überhaupt nichts pädagogisches. alle menschen, die sich auf so ein essen einlassen, haben eine übereinkunft: offen sein für das, was kommt und wie es kommt. es funktioniert nicht nach herkömmlichen regeln der hochküche. und das macht’s ja auch so spannend.
    ich teile aber deine kritik an slow food (obwohl ich dort seit bald zehn jahren mitglied bin): der erhobene zeigefinger macht mich wahnsinnig, das elitäre gehabe (und geschreibe) auch. trotzdem finde ich wichtig, was slow food macht.
    das besteck hat der künstler (john gerrard) selbst entworfen, wenn ich nicht irre.

    aber ich verstehe auch die kritik: wer lässt sich schon so intensiv auf essen ein, gibt ihm so viel raum und zeit und versucht, die vorurteile – solange sie bewusst sind – draussen vor der tür zu lassen? und ich sehe auch ein, dass menschen, die – aus welchen gründen auch immer – sehr genau aufs geld schauen müssen, wahrscheinlich nicht als erstes an reduktion auf dem teller samt philosophischem überbau, sondern vor allem ans satt werden denken. ich bin aber überzeugt davon, dass die prioritätensetzung dabei nicht immer zulasten der qualität des essens gehen muss. die ist freiwillig.

    ps: dazu passt auch das interview mit carlo petrini (gründer von slow food) in der presse.

  14. die diskussion zu diesem essen find ich sehr spannend, da sie viele der gedanken spiegelt, die mir seit dem begeisterten bericht durch den kopf gehen – so eine spitzenveranstaltung für insider ist sicher fein.
    aber: was ist im alltag?
    wie viele menschen erreichen die ideen und wie viele kommen an diese qualität?
    gar nicht so sozialkritisch gemeint, sondern eher alltagspraktisch in hinblick auf unser tägliches zeitmanagement!?!
    wie sind solche konzepte in unsere tägliche ernährung übertragbar? weniger die zubereitung ist gemeint, als die beschaffung der produkte!

    2 fragen resultieren für mich aus den gedanken:
    was sagt die frau esskultur zur bio-und ursprungslinie bei hofer?

    und, ganz etwas anderes, aber doch nicht wirklich: was hat es mit kremser safran auf sich? angeblich war der im 19.jh. berühmt gut und wird in mautern wieder angebaut.

    mahlzeit:)

  15. Liebe katha,
    ich freue mich, dass du so auf meine „Kritik“ eingehst. Ich habe aus deiner Replik gelernt, dass ich derartige Ereignisse nicht unter dem Aspekt „Kochen“ betrachten sollte. Wahrscheinlich waere ich ueberzeugter, wenn ich teilgenommen haette. Mit philosophischem Ueberbau beim Essen/Kochen/Produkten habe ich meine Probleme, weil ich zu viele Blender und Scharlatane in diesem Bereich kenne. Schoen, dass du mich von diesem Vorurteil weg bringst!
    Der Zugang zum, die Besinnung auf das Urspruenglich-Natuerliche darf nicht den Wurzelseppen in der Supermarktwerbung ueberlassen werden, die Avantgarde ist hier gefordert. Daher kann man Initiativen wie diese gar nicht hoch genug schaetzen. Mir, als leidenschaftliche Koechin ist dieser extreme Purismus in der Verarbeitung von Produkten fremd, weil ich Vollendung wichtiger finde als Ursprungsbesinnung. Ich will ein natuerliches, regionales Produkt UND Perfektion im Kochhandwerk, ohne das Natuerliche zu verfremden.
    Nach dem Impuls durch die kuenstlerische Avantgarde ist der zwangslaeufig naechste Schritt die Umsetzung in Gastronomie und beim Konsumenten.
    Ich moechte mich bei dieser Gelegenheit bei dir fuer die vielen Impulse, die du mit esskultur.at setzt, bedanken!

  16. Liebe Katha,

    beim dritten Absatz Deines letzten Kommentars geht mir das Herz über. Besser kann man das Konzept einer vom Kern her guten Lebensmittelkultur nicht auf den Punkt bringen.

    Ein augenöffnendes Erlebnis kann sein, exemplarisch die Erzeugung eines Lebensmittels zu üben. Egal, welches. Zu merken, welche Arbeit darin steckt kann schon beeindrucken – viel mehr aber der nächste, viel mühevollere Schritt: welche jahrelange Arbeit es kosten kann, das auch in hervorragender Qualität zu bewerkstelligen.

    Man begegnet von da an jedem Erzeuger eines guten Lebensmittels – wieder egal, welches – anders. Mündiger, verständiger. Und viel demütiger.

  17. katha, wenn ich hier lese, bekomme ich regelmäßig schweißausbrüche (mit klaten händen, und kalten füssen). ich betrachte, lese, staune. alles prächtig. aber immer iwder frage ich mich: ißt sie auch mal was normales? hat sie schon mal einen „hamburger royal ts“ im magen gehabt? oder nudeln mit tomatensugo, ohne irgendwas? fragen über fragen

  18. deine frage ist berechtigt, uli, ich glaube, wie schon weiter oben gesagt, dass es zu allererst eine frage der prioritätensetzung ist: wieviel zeit (und es geht vor allem um zeit) widme ich dem essen und zuvor der zubereitung und noch zuvor der beschaffung der lebensmittel? ich würde das mehrstufig sehen: zuerst das bio- und regionale sortiment im supermarkt. irgendwann stellt sich die qualitätsfrage: kann das nicht noch viel besser schmecken? war das alles? dann der nächste halbwegs gut besuchte bioladen oder biosupermarkt: dort sieht man hoffentlich, was saison hat, kann sich mal vorsichtig rantasten, ohne sich auf dem bauernmarkt zwischen lauter eingeweihten eine blösse geben zu müssen, weil man nicht gleich all die wurzeln und blätter kennt. dann die grün- und bauernmärkte. irgendwann erkennt man, dass fast alle das gleiche sortiment haben (vom grossgrünmarkt). dann kommen die eigenartigen stände dran. die ohne laute schilder und werbung. die mit ein paar kisten voller lebensmittel, die um 11 am vormittag schon fast leer sind. und dann steht man das nächste mal früher auf dafür, weil man auch gerne wissen würde, was daran so besonders ist. und wenn man einmal damit angefangen hat, dann mag man nicht mehr zurück. weil der knoblauch vom lassnig halt viel besser schmeckt als irgendein anderer. man könnte auch beim brot anfangen. richtige bäcker suchen, nachfragen, wann und wo und wie das brot gebacken wird (und auf viel frust gefasst sein). oder beim fleisch: nachfragen, ob das fleisch aus freilandhaltung kommt. und woher. und so handelt man sich vom anonymen massenprodukt zu den produkten mit „persönlich bekannter herkunft“. ich werde z. b. unleidlich, wenn ich kein brot von „meinem“ bäcker, dessen backstube und öfen und warenlager ich kenne, mehr zuhause habe. das ist der point of no return. und der fühlt sich ziemlich gut an.

    zurück zum ursprung: dazu habe ich sehr viel zu sagen, aber mir fehlen dazu im moment sowohl die zeit als auch die nerven. die kurzversion: im rahmen eines unternehmens, dessen zweck darin besteht, mit möglichst billigen lebensmitteln möglichst viel profit zu machen, finde ich das sehr problematisch. ich kaufe grundsätzlich nicht bei hofer ein. allerdings: das konzept ist nicht schlecht, die produkte vermutlich auch nicht, vor allem, seit lampert nun doch endlich auf bio umgeschwenkt hat. ich nehme mir seit monaten vor, endlich die butter, die milch und den sauerrahm zu probieren. hofer ist für mich wie ein anderer stern, ich vergesse immer wieder drauf.

    kremser – eigentlich wachauer – safran: du hast bestimmt meine safran-reportage vor zwei jahren hier teil 1 und teil 2 oder im rondo/standard (pdf) oder in der maxima (pdf) gelesen. ich glaube, hannes pinterits war ein oder zwei jahre früher mit seinem pannonischen safran dran. ich finde es ehrlich eine sauerei, dass jetzt so ein wetter um den wachauer safran gemacht wird, ohne den burgenländischen auch nur zu erwähnen. fakt ist, dass österreichischer safran bis vor 100 jahren als hochwertigster (weil strenge qualitätssicherung) europas galt. dann wurde die arbeit aber unwirtschaftlich (extrem viel handarbeit, die ist halt teuer) und der safrananbau geriet in vergessenheit. ich finde es grossartig, dass er endlich wieder angebaut wird, halte aber derzeit dem pannonischen safran die treue, einfach weil ich dort bei der ernte dabei sein durfte und mir hannes pinterits ganz offen alles erzählt hat, was ich ihn dazu gefragt hatte. ich habe den wachauer safran auch noch nicht probieren können, bin gar nicht sicher, ob’s den nicht nur als schokolade und honig gibt. vielleicht auf der terra madre morgen und übermorgen im wiener rathaus.

    danke für deine antwort, eline.
    für den alltag sind mir „perfektion und vollendung“ doch ein bisserl zu hoch gegriffen. da finde ich das bestmögliche, ursprüngliche produkt praktischer, wenn es zum beispiel ein holzofenbrot (ein gscheites, nicht irgendeines, stichwort: gragger) ist und eine sauerrahmbutter (du weisst, welche). und der schnittlauch aus dem garten. und ich denke, dass viele menschen nicht wissen, wie sie perfekt kochen können, sondern sie wären froh, wenn sie überhaupt das 1×1 halbwegs beherrschen würden, um aus ein bissl rohem gemüse und einem stück fisch oder fleisch ein wohltuendes essen hinzukriegen.

    danke, lokalreporter, und wenn du mit „illustration“ die fotos meinst, dann doppelt danke: ich finde sie selbst nämlich total schön und bin fast ein wenig traurig, dass das bisher niemand so empfunden (oder erwähnt) hat.

    ja, limonium, das ist ganz gewiss so. man muss ja nicht gleich zu imkern beginnen (obwohl ich das sehr bewundere!), ein laib brot reicht schon für diese demut. zumindest wenn man weiss, wie echtes brot schmecken kann.

    ach peppinella, sind meine alltagsesssorgen wirklich spannend? wenn du wüsstest, wie oft ein butterbrot im stehen in der küche oder bloss ein paar walnüsse aus dem hoffentlich nie enden wollenden walnussvorrat mein abendessen sind,… ich habe ja sogar schon darüber geschrieben.
    viel wichtiger finde ich solche diskussionen, wie sie hier gerade stattfinden, weil sie für mich wie ein kleines fenster in die zukunft sind…

  19. danke für die ausführlichen antworten! – auf den kremser safran bin ich bei der lektüre der kyselak-reiseberichte gekommen, 1828!, also nix mit aktueller berichterstrattung!

    ich kann leider weder um 11h noch um 8h auf märkte gehen:(, außer im sommer und manchmal zu den bauern in krems (da is nix mit großmarktherkunft, so viel seh ich schon!)

    also in der regel doch die bio-butter von hofer: mir schmeckt sie!
    und das brot dazu ist simpel, aber aus dem eigenen backofen!

    lg uli

  20. Hola!
    Ich möchte ein paar Zeilen schreiben zu dem Bericht über „ der Wehmut nächster Akt „
    Das erste was mir auffiel, ich war nicht dabei und das ist schon mal sehr schade. Ich lebe die meiste Zeit des Jahres in Barcelona und liebe die Katalanische Küche. Am meisten begeistert mich die Einfachheit der Rezepte. Ohne viel Tamtam mit ganz wenig Gewürzen und Kräuter. Die Köche sagen mir oft, wir möchten die guten Grundnahrungsmittel gerne pur auf den Tisch bringen. Am Anfang musste ich mich daran sehr gewöhnen, denn wenn man die Deutsche Küche gewohnt ist, in der oft überwürtzt wird, dann war die Katalanische Küche fad und ohne Geschmack. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ein tolles Rindfleisch mit etwas Knoblauch und einem tollen Oliven Öl wunderbaren Geschmack wieder gab.
    Ich wollte euch gerne damit recht geben, das nicht immer in den Salz oder Pfeffertopf gelangt werden muss um Geschmack zu bekommen.
    Wir machen nächstes Jahr ein etwas anderes Restaurant in Barcelona auf, wo nicht nur der Gast bekocht wird, sondern der Gast vom Einkauf bis zur Herstellung dabei ist um andere Menschen zu bekochen. Nun, um das ganze Konzept zu beschreiben, ist es hier nicht der richtige Platz.
    Auf jedem Fall gefällt mir euer Blog sehr gut und werde ihn gerne verlinken und weiter beobachten.
    Macht weiter so und vielleicht sieht man sich dann mal in Barcelona.
    Mit sonnigen Grüßen
    Rico

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